Mittwoch, September 27, 2006

27.09.2006 - Ein kaputter Computer, aber trotzdem ist hier ganz schoen was los

Lange habe ich nichts mehr geschrieben - das liegt aber nicht daran, dass ich nichts Neues zu berichten weiss, sondern an meinem iBook, das zur Zeit ein wenig spinnt und nur alle drei Tage mal fuer eine Stunde funktioniert. Das Problem werde ich wohl hier irgendwie loesen muessen - im schlimmsten Fall muss wohl ein neuer Rechner her (die sind hier in den USA auch etwas billiger auch in Europa).
Was habe ich in den letzten 2 Wochen erlebt?
Zunaechst einmal gibt es viele spannende Aufgaben im Labor. So langsam finde ich mich zurecht und habe auch sehr abwechslungsreiche Aufgaben: Von Klonierung bis hin zur Zellkultur und Infektion der Zellen mit Viren in einem Labor der Sicherheitsstufe 2+ ist alles dabei, und so sind meine Tage meistens recht lang. Vor allem die Arbeit mit Viren macht Spass, da ich so etwas noch nie gemacht habe. Besonders fuer meine Verwandten sei zur meiner Arbeit gesagt, dass Sicherheitsstufe 2+ nichts besonders gefaehrliches bedeutet: Es handelt sich um einen separaten Raum mit spezieller Belueftung, in dem Experimente mit Erregern durchgefuehrt werden, die zwar bei Mensch und Tier Infektionen ausloesen koennen, aber von selbst wieder ausheilen - also z.B. Schnupfenviren. Natuerlich versprueht oder verkleckert man keine Proben frei im Raum, sondern arbeitet unter einer Sterilbank mit Sichtschutz und Abzugshaube, traegt nicht nur den obligatorischen Laborkittel, sondern einen Einwegoverall, Schuhueberzieher, einen leichten Gesichtsschutz aus Plastik (sieht aus wie die, die Schweisser tragen) sowie zwei paar Handschuhe. In dieser Montur fuehrt man dann seine Experimente durch. Vor Verlassen des Labors muss man alle Schutzkleidung ausziehen - man vergisst also besser keine Chemikalien oder Proben fuer das Experiment ausserhalb des Labors, denn sonst muss man sich ausziehen, das Vergessene holen und sich dann im Labor wieder anziehen, was insgesamt etwa 15 min dauert. Ich muss unbedingt demnaechst mal jemanden bitten, ein Foto von mir zu machen, das stelle ich dann hier auf die Seite. Sich angesichts solcher Sicherheitsmassnahmen mit irgendeinem Erreger zu infizieren, ist sehr, sehr unwahrscheinlich und beruht, wenn es denn doch passiert. auf eigener Dummheit. Ich darf diese Experimente auch nur unter Anleitung und Aufsicht eines erfahrenen Mitarbeiters durchfuehren.

Vor zwei Wochen war ich hier am Meer, und zwar bei einer Art Institutsausflug in ein Hotel in einem Nachbarort. Da hier alle ganz verrueckt nach Wissenschaft sind, gab es den ganzen Tag Vortraege der einzelnen Arbeitsgruppen zu den aktuellen Forschungsthemen und auch eine Postersession der Doktoranden und Postdocs. Eine gute Gelegenheit, ein paar andere Leute kennenzulernen und ein wenig am Strand spazieren zu gehen. Der junge Mann neben mir ist Joseph, mein Laborkollege, und das unterste Fotp zeigt den Ort unseres Ausflugs, ein nobles Resort und Spa.




Ansonsten wundere ich mich immer noch ueber einige amerikanische Eigenheiten, besonders bezueglich der Ernaehrung: Im Supermarkt gibt es nur zwei Extreme, Ungesund und Ueber-Gesund. Ich wollte normalen Joghurt kaufen, doch im Kuehlregal fand ich nur fettfreien Joghurt oder extra-sahnige chemisch aussehende Mischungen. Genauso fettfreie Milch - wo bleibt da der Geschmack? Als ich mich darueber mit ein paar Kollegen unterhielt und gefragt wurde, was fuer Milch ich denn trinken wuerde, sagte ich "Vollmilch" oder zumindest "fettarme Milch" und erntete erstaunte Blicke. Anscheinend gilt Vollmilch, noch dazu frische, nicht totpasteurisierte, hier als ungesund. Es gibt hier auch in jedem Supermarkt Bio-Produkte, allerdings sind die dreimal so teuer wie normale. Interessant ist dann andererseits, dass es hier ein wachsendes Bewusstsein fuer die durch Fastfood verursachten Herz-Kreislaufkrankheiten, Diabetes und Uebergewicht gibt - auf jedem Nahrungsmittel steht der Kalium- und Natriumgehalt, der Fettgehalt und hilfreiche Hinweise, dass z.B. dieser Orangensaft gut geeignet ist fuer eine gesunde Ernaehrung. Und dann wieder sieht man im Fernsehen Werbespots fuer "Triple"-Burger mit ueber 250 g fettem Fleisch, oder fuer Lasagne-Pizza (echt, Lasagne auf einer Pizza).

Zum Taekwondo gehe ich zwei- bis dreimal die Woche, meist direkt nach der Arbeit: Hier herrscht Tradition, und so gruessen wir nicht nur am Anfang und Ende jedes Trainings die koreanische und amerikanische Flagge, sondern sagen auch brav im Chor "Yes, Sir" zu jeder Anweisung des Trainers. Das Training macht aber Spass und besteht vor allem aus Kick-Training und Sparring. Meine guten technischen Grundlagen aus Luebeck (sogar im Vergleich zu so manchem hoeheren Guertel) kann ich hier super mit Kampftechniken ergaenzen, und die Leute sind auch nett. Die "Turnhalle" (Gym genannt) an sich ist auch beeindruckend: Ein achtstoeckiger pseudo-gothischer Turmblock mit etwa 15 Sporthallen, Fitnesstudio, einem Rudertrainingsbecken und Squashanlagen. Es soll wohl die zweitgroesste Uni-Indoor-Sportanlage der Welt sein.

Hier noch ein paar Fotos vom Campus. Das erste ist ein Wohncollege, das zweite zeigt das Campus Green, dann der Turm der Bibliothek, die "Turnhalle" und ein weiteres Wohncollege.






Letzte Woche war ich dann noch eingeladen zu einem Filmabend in einem Haus gleich um die Ecke von meiner Wohnung, das zur Haelfte von Deutschen bewohnt wird (alle in unterschiedlichen Fachrichtungen). Bei 12ºC abendlicher Kuehle haben wir in dicke Decken eingemummelt im Garten den Film geschaut, der mit einem Beamer an ein Laken am Garagentor projeziert wurde. Dabei habe ich sehr nette Leute (aber nicht nur Deutsche) kennengelernt, mit denen ich sicher naechstes Wochenende etwas unternehmen werde.

Letztes Wochenende habe ich Michael in Boston besucht - den Bericht verschiebe ich allerdings auf spaeter, denn jetzt will ich erst mal zum Sport.