Freitag, November 17, 2006

Endspurt...

Jetzt, wo sich mein Praktikum hier langsam aber sicher dem Ende zuneigt, wird mir bewusst, wie schnell die Zeit hier vergangen ist und wieviel ich gelernt habe. Die Wissenschaftler hier denken einfach dreimal so schnell und unglaublich kreativ - am Anfang hat mich das überwältigt, und auch jetzt ist es immer noch beeindruckend.

Im Moment habe ich im Labor noch sehr viel zu tun und versuche, meine Experimente zu Ende zu bringen, um vielleicht doch noch ein paar Daten für die anstehende Posterpräsentation in Lübeck zu erhalten. Ich weiß zwar noch nicht genau, wie ich bis Ende nächster Woche ein Poster fertig haben soll, aber das wird schon noch... Wahrscheinlich würde es mir genauso gehen, wenn ich noch drei Monate hier wäre - man hat schließlich nie zu Ende geforscht.

Einerseits freue ich mich jetzt schon sehr auf Lübeck, weil mir natürlich Tiark, meine Freunde und Bekannten und natürlich meine Familie ungeheuer fehlen. Andererseits habe ich hier vor allem in den letzten sechs Wochen mit vielen netten Leuten Dinge unternommen, und jetzt, wo ich sie gerade erst richtig kennenlerne, muss ich schon wieder weg. Über viele kleine nette Alltagserlebnisse hier im Lab, beim Sport oder mit Bekannten hier habe ich gar nicht geschrieben, aber ihr könnt mir glauben, so ganz leicht fällt mir der Abschied nicht. Ob Filmabend, Kino oder einfach nur ein Cocktail in einer der Bars, ich habe hier viele interessante Leute aus aller Welt kennengelernt.

Dieses Wochenende gibt es den vorgezogenen Abschiedslunch mit dem Laborteam. Nächste Woche ist nämlich Thanksgiving, einer der wichtigsten Feiertage hier in den USA, und alle Studenten und die amerikanischen Wissenschaftler fahren zu ihren Familien, um Truthahn zu essen. Die Hälfte unseres Labors ist daher nächste Woche gar nicht mehr in New Haven. Aus dem gleichen Grund werde ich mich wohl auch an diesem Wochenende von meinen Freunden hier verabschieden.

Ich möchte auch unbedingt noch einmal zum Taekwondo, was ich leider in der letzten Woche aufgrund einer Erkältung und der Tatsache, dass ich nie vor 21:00 aus dem Labor gekommen bin, leider nicht geschafft habe.

Also, drückt mir gemeinschaftlich die Daumen, dass ich meinen Koffer rechtzeitig gepackt kriege, mein Poster mit tollen Ergebnissen nach Lübeck maile, und dann am 25.11. den Flieger nicht verpasse!

Montag, November 06, 2006

Mit dem Fahrrad durch New York

Am Freitag bin ich nach der Arbeit zu Felix nach New York gefahren, um das Wochenende in der "City" zu verbringen. (Hier redet jeder von New York nur als "The City"). Am gleichen Abend gingen wir erst in einer Pizzeria etwas essen und dann auf eine Party von ein paar Mathestudenten aus Felix' Department. Überraschenderweise kann man auch mit verrückten Mathestudenten Spaß haben ;-)


Am Samstag war das Wetter zwar kühl, aber sonnig, und so entschlossen wir uns, eine Fahrradtour um Manhattan zu machen. Felix besitzt noch ein zweites Fahrrad, und nachdem wir beide Fahrräder beim nachbarschaftlich betriebenen Fahrradladen flott machen ließen, konnte es los gehen. Von der 6th Street aus gelangten wir nach Osten an den East River (der laut Felix gar kein Fluss, sondern ein Meeresarm ist) und fuhren am Wasser Richtung Norden.


Auf dem Weg passierten wir den Wohnkomplex Stuyvesant Town, der in letzter Zeit dadurch zu Berühmtheit gelangt ist, dass er von Immobilienspekulanten aufgekauft wurde und die bisherigen Mieter, v.a. Familien, Rentner und Studenten, aus den relativ preisgünstigen Wohnungen vertrieben werden sollen. An der New York University und der Rockefeller University vorbei ging es schließlich zu den UN Headquarters.




Dort finden halbstündlich Führungen statt, und nach einem Sicherheitscheck trafen wir auf unseren (natürlich deutschen, die sind schließlich überall!) UN-Führer. Die Führung fand allerdings auf englisch statt. Interessant war, dass kein einziger Amerikaner unter den 20 Teilnehmern war, sondern nur Inder, Schweden, Brasilianer und Deutsche - na ja, dass die Amis Weltpolitik häufig nicht weiter als über ihre eigene Nasenspitze hinaus betreiben, ist ja hinreichend bekannt. Neben den Konferenzsälen, die man teilweise aus dem Fernsehen kennt, wenn Kofi Annan eine Rede hält, gab es verschiedene Geschenke der Mitgliedsländer zu bestaunen: Von Wandgemälden über kunstvolle Schnitzereien bis hin zu Schiffsmodellen. Natürlich erfuhr man auf der Tour auch sehr viel über Sinn, Zweck und Arbeitsweise der UN und die Weltprobleme, mit denen sich die einzelnen Abteilungen beschäftigen: Von AIDS bis Kinderarbeit über Wahlbeobachtung, Friedenssicherung, Armutsbekämpfung und Bereitstellung von sauberem Trinkwasser bis hin zur nuklearen und sonstigen Abrüstung scheinen die Mitarbeiter der UNO sich wirklich um alles zu kümmern, was die Menschheit quält. Umso erschreckender war dann am Ausgang eine Grafik, die die weltweiten jährlichen Ausgaben für Waffen (780 Milliarden US-Dollar) ins Verhältnis zu denen für Gesundheitsmaßnahmen (21 Milliarden) und Demokratieaufbau (2 Milliarden) setzte. Man muss sich nur einmal vergegenwärtigen, dass das jährliche Budget der UN ein Drittel des Budgets des New York Police Departments beträgt - die UN erscheint einem dann ein bisschen wie Don Quijote oder Sissyphos beim Kampf gegen globale Probleme. Der Besuch bei der UN hat mich nachhaltig beeindruckt und in meiner radikal pazifistischen Grundhaltung bestätigt.




Aber zurück zu unserer Fahrradtour: Nachdem wir die Franklin D. Roosevelt Island im East River hinter uns gelassen hatten, wandten wir uns an der 96th Street nach Westen und fuhren zum Central Park. Bei wunderschöner Spätnachmittagssonne ging es am großen Reservoir vorbei Richtung Süden.



Nachdem wir in einem riesigen Supermarkt am Columbus Circle noch für das Frühstück am nächsten Tag gesorgt hatten, fuhren wir nach Westen und landeten schließlich am Ufer des Hudson Rivers. Von dort aus fuhren wir nach Süden, passierten den Flugzeugträger des Intrepid Sea-Air-Space Museums (nach dem Besuch der Un schenkten wir uns allerdings den Besuch militärischer Prestigeobjekte) und den Lincoln und Holland Tunnel. Auf dem Weg ging die Sonne hinter der gegenüberliegenden Skyline von Jersey City unter.



Hinter der ehemaligen World Trade Center Site erreichten wir dann irgendwann die Südspitze Manhattans mit der Fährstation der Staten Island Ferry. Von dort ging es dann wieder nordwärts bis zur Brooklyn Bridge. Und ihr werdet es nicht glauben, trotz meiner Höhenangst (durch die Planken des Fußwegs kann man das Wasser 50 Meter tiefer sehen) bin ich mit Felix mit dem Fahrrad über die Brücke nach Brooklyn geheizt - und weil es so schön war, auf der nahegelegenen Manhattan Bridge gleich wieder zurück nach Manhattan.

Jetzt hatten wir uns aber wirklich eine Stärkung verdient und fuhren direkt nach Chinatown. Beim Ajisen Ramen genossen wir die Nudelsuppen und Teigtaschen und fuhren nach einem Bummel durch die Kitschläden zurück zu Felix' Appartment. Nach einer kurzen Verschnaufpause gingen wir zum Abschluss des Tages noch in einer mexikanischen Bar einen Cocktail trinken.

Am Sonntag frühstückten wir spät und besuchten eine von Felix' Bekannten, um American Football zu schauen und traditionell Chicken Wings und mit Käse überbackene Pommes zu essen. Football ist anscheinend doch etwas komplizierter als große Männer, die versuchen, dem Gegner den eiförmigen Ball abzunehmen, indem sie gegeneinander laufen und übereinander fallen. Jedenfalls gibt es eine Menge Regeln über inkomplette Touchdowns, und wie weit die Mannschaft sich bei jedem Spielzug nach vorne bewegen muss, usw. Wahrscheinlich sind die Regeln für einen Deutschen genauso schwer zu verstehen wie die Abseitsfalle beim Fußball für einen Amerikaner.

Am Nachmittag trafen wir uns spontan noch zum Kaffeetrinken mit Sarah aus dem juFORUM, die zur Zeit ihr Praktisches Jahr in Providence auf Rhode Island (zwischen New Haven und Boston) absolviert und übers Wochenende bei ihrem Freund Markus in New York zu Besuch war. Und wie das Leben so spielt, kannten sich Felix und Markus von einem Studienstiftlertreffen in New York, das drei Tage vorher stattfand. Womit endgültig bewiesen wäre, dass die Welt ein Dorf ist, wo jeder jeden kennt, und die Deutschen sind sowieso immer überall.


Donnerstag, November 02, 2006

31.10.2006 - Halloween

Heute war Halloween, und Joseph und Janey, eine Bachelorstudentin, die als HiWi in unserem Labor arbeitet, wollten mich zu einem mitternächtlichen Konzert des Yale Orchesters mitnehmen. An Halloween wird nämlich in der Konzerthalle ein von Studenten gedrehter Stummfilm gezeigt, und das Orchester begleitet die Aufführung mit Rock- und Popsongs. Das Ganze ist DAS Ereignis für die Collegestudenten, und alle verkleiden sich. Die Konzerthalle Woolsey Hall ist sehr sehenswert, wie immer hier in Yale perfekt einem europäischen Konzerthaus nachempfunden und hat eine tolle Akustik.

Es waren unglaublich viele Leute bei dem Konzert, und alle hatten kreative Kostüme: Von Elefanten, Quallen und Weintrauben bis hin zu traditionellen Piraten, Prinzessinen, Hexen, heiße Krankenschwestern und Zombies. Ich hatte in letzter Sekunde noch Bonbons und Zuckerstangen auf ein Kleid genäht und ging als "Candy Girl".

Der Film war eine Parodie auf "Ghost Busters", die Schauspieler waren alles Yale-Studenten, einige Professoren, und die Schauplätze waren Hörsäle, die Bibliothek und Wohnheime auf dem Campus. Dementsprechend enthusiastisch wurde der Film von den Zuschauern aufgenommen, und die Stimmung im Saal war super. Teil der Aufführung war auch eine Tanzgruppe, die den Zombietanz aus Michael Jacksons "Thriller"-Video zur Orchestermusik vorführte - total beeindruckend. Zwar habe ich von den Sketchen, die zwischendurch auf der Bühne dargeboten wurden, nicht allzu viel verstanden (Amerikaner, die schnell in ein Mikrofon sprechen, sind einfach too much), aber Janey und Joseph haben auch als Muttersprachler nur die Häfte verstanden.

Halloween, so wie es hier gefeiert wird, ist viel weniger eine reine Marketing-Idee, um mehr Süßigkeiten zu verkaufen, sondern die Leute geben sich wirklich Mühe mit den Kostümen und haben eine Menge Spaß. Gleichzeitig merkt man aber auch, dass es eine Gelegenheit für viele ist, aus den steifen, ungeschriebenen Regeln, die z.B. für Männer-Frauen-Beziehungen gelten, auszubrechen. Es gibt z.B. unterschiedliche, klar definierte Beziehungsstadien, von "exclusive", wo man eine/n feste/n Freund/in hat, bis hin zu "non-exclusive", wo man sich auch mit anderen Dates trifft. Nach etwa zwei Jahren Beziehung kommt hier wohl meist der Zeitpunkt, wenn man entscheidet, ob man sich verlobt oder getrennte Wege geht. Wenn ich erzähle, dass ich seit 5 Jahren mit Tiark zusammen bin und wir davon 3 Jahre zusammen wohnen, stößt das hier oft auf Erstaunen a la: "When are you gonna get married?" Die europäische Lockerheit in diesem Zusammenhang wird hier sehr wohl wahrgenommen. Jedenfalls, die teils sehr freizügigen Kostüme vor allem der Frauen sind sicher Ausdruck des Ausbrechens aus dem Alltag.

30.10.2006 - Eine Wanderung mit dem Labor

Nach einem stürmischen Wochenende zeigte sich am Montag das Wetter von seiner allerschönsten herbstlichen Seite, und unser Labor entschloss sich spontan, aus der Alltagsroutine auszubrechen und in der Umgebung eine Wanderung zu machen. Mit Walther fuhren Pradeep, Joseph und ich nach Nordwesten Richtung Wallingford und Meriden.

Unser erster Anlaufpunkt waren die Twin Peaks, zwei etwa 300 m hohe, nebeneinanderliegende Berge. Auf dem East Peak gibt es einen Schlossturm (Castle Craig). Von dort aus und auch vom West Peak hatte man einen wunderschönen Ausblick auf Connecticut, bis hin nach Long Island.




Sowohl von den Berggipfeln aus als auch auf der Autofahrt war die typische Landschaft zu bewundern: Waldhänge mit herbstlich bunten Bäumen, kleine Flüsschen, Wasserreservoirs (angelegt von den ersten Siedlern) und plötzlich auftauchende schroffe Felswände.


Nach der ersten Etappe fuhren wir noch weiter nach Norden zum Ragged Mountain. Beim Aufstieg wanderten wir durch den Wald, kletterten über Felsen, und wurden nach etwa einer Stunde anstrengendem Gekraxel mit einer phänomenalen Aussicht über Täler, Seen und Wald belohnt. Die Farben waren einfach unglaublich, besonders als die Sonne langsam unterging.







Am frühen Abend kehrten wir zurück ins Institut, beendeten unsere Experimente, und zumindest ich fiel nach soviel frischer Luft wie ein Stein ins Bett.

Montag, Oktober 23, 2006

21./22.10.2006 - Ein Roadtrip zum Indian Summer

Da die Wetteraussichten für das Wochenende vielversprechend waren und die Laubfärbung in Neuengland langsam ihren Höhepunkt erreicht, hatte ich mit Eric und Felix, der dafür aus New York nach New Haven gekommen war, einen Wochenendausflug nach Norden geplant. Ganz zeitig am Samstag fuhren wir in Erics Grand Cherokee Jeep Richtung Norden zur Grenze nach Massachusetts. Auf dem Weg passierten ir Hügelandschaften, Wälder und und überquerten kleinere Flüsse auf den berühmten Covered Bridges. Diese Brücken sind aus Holz und komplett überdacht, und teilweise nur einspurig befahrbar, so dass man sich mit dem entgegenkommenden Verkehr verständigen muss.


Wir fuhren vorwiegend auf kleineren Straßen und kamen an biblisch benannten Orten wie Canaan vorbei. Besonders einfallsreich haben die ersten Einwanderer ihre Orte nicht benannt: Auf unserer Tour begegneten uns Interlaken, Basel, Berlin, Hanover, New Lebanon und Montpelier.

Über Egremont erreichten wir schließlich Great Barrington, wo wir uns zunächst mit Bagels und Suppe stärkten und dann gute zwei Stunden auf dem Appalachian Trail wanderten. Dieser Wanderweg zieht sich auf knapp 2200 Meilen (3500 km) entlang Bergrücken und Tälern der Appalachian Mountains und durchquert die Staaten Maine, New Hampshire, Vermont, Massachusetts, Connecticut, New York, New Jersey, Pennsylvania, Maryland, West Virginia, Virginia, Tennessee, North Carolina, Georgia and Kentucky. Es gibt wohl Wanderer, die die gesamte Strecke in den Ferien bewältigen.
Im Wald kletterten wir über Stock und Stein und genossen schließlich den Ausblick auf den Benedict Pond.


Nach unserer Wanderung machten wir uns auf in Richtung Vermont und stiegen in einem Motel in Williamstown, kurz vor Vermont, ab. Williamstown ist eine nette kleine Stadt mit einem College, und am Samstag abend konnten wir so das Studentenleben in einer Kneipe genießen.
Am nächsten Morgen fuhren wir dann weiter nach Norden, da wir nach Burlington an den Lake Champlain wollten. Auf dem Weg nach Burlington machten wir auf der Suche nach kleineren Straßen als Alternative zum Highway einige kurze Abstecher in malerische Flusstäler. Die Gegend ist sehr ländlich, es gibt viele Farmen und Kuhweiden, und die meist weiß gestrichenen Holzhäuser sehen wirklich so aus wie man es aus Filmen kennt. Neben diesen kleinen Umwegen fuhren wir dann bei Sunderland auf den Mount Equinox, einen etwa 1500 m hohen Berg. Diesen Berg konnte man nur auf einer mautpflichtigen Straße, dem Skyline Drive, aus erreichen, die von Mönchen eines im Tal gelegenen Klosters betrieben wird. Auf dem Gipfel hatte man einen recht schönen Ausblick über den Green Mountain State Vermont, vor allem aber lag dort oben Schnee und es war sehr kalt.


Vom Mt. Equinox fuhren wir dann weiter nach Norden und erreichten am Nachmittag Burlington. Die Stadt liegt am Lake Champlain, der etwa die Ausmaße des Bodensees hat - also für USA-Verhältnisse ein kleinerer See. Es verkehren Fähren zu Inseln und ans andere Ufer. Neben einer schönen Uferpromenade mit Piers und Parks ist vor allem die innenstadt sehenswert. Sie mutet mit Fußgängerzone, Gaslaternen und kleinen Cafes sehr europäisch an - je weiter man Richtung Kanada gelangt, desto europäischer wird es. Leider regnete es in Burlington die ganze Zeit und die Temperatur betrug nur 5ºC, so dass sich unsere Besichtigung auf einen kurzen Bummel durch die Fußgängerzone und ein schönes Stück Kuchen in einem Cafe beschränkte.

Dass Amerikaner in ihrer Kleidungswahl oft nicht sehr elegant und auch bei herbstlichen Temperaturen nicht zimperlich sind, habe ich schon des Öfteren mitbekommen (am College sind Flipflops, Shorts oder Jogginghose und ein weiter Uni-Pulli die "Uni"-form ), aber in Burlington wurde dieses studentische Outfit noch getoppt: Eine Studentin trug doch bei 5ºC tatsächlich Flipflops und Shorts, und dazu eine Winterjacke und Handschuhe!
Am späten Nachmittag fuhren wir dann auf dem Highway zurück nach New Haven, wo wir gegen 24:00 dann erschöpft ins Bett fielen.

Dienstag, Oktober 17, 2006

15.10.2006 - Ein Tag am Meer

Da das Wetter zur Zeit wunderbar ist (kühl, aber sonnig), bin ich dieses Wochenende zum Lighthouse Point Park, dem südlichsten Punkt in New Haven, gefahren. Wie immer waren die Berichte der Amerikaner bezüglich der Ausdehnung dieses Geländes etwas übertrieben – der Park besteht im Wesentlichen aus einem Strand mit Leuchtturm, einem Holzsteg, etwa 400 m Grünstreifen mit Bäumen und Picknickbänken und einem Parkplatz. Im Sommer fahren die Linienbusse, die auch ich genutzt habe, um zum Park zu gelangen, sogar in den Park hinein. Zur Verteidigung der fußmarschfaulen Amis muss ich allerdings zugeben, dass der Strand sehr schön ist, eher naturbelassen mit Felsen, Muscheln, Algen und vielen Möwen. Es herrschte eine steife Brise, und so setzte ich mich auf eine Bank unterhalb des Leuchtturms und schlürfte meinen mitgebrachten Tee. Zum Abschalten am Wochenende war es wirklich schön, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Einen eindrucksvollen Blick in die Bucht vor Downtown New Haven konnte ich auch genießen.

Sonntag abends war ich dann mit Eric, Julias deutschem Bekannten hier, zum Essen in einem Sushi-Restaurant verabredet, und danach sind wir noch in eine Studentenkneipe auf ein Bier und Live-Musik gegangen. Hier sind eigentlich jeden Abend irgendwo Theatervorführungen, Live-Musik oder ähnliche Veranstaltungen – man merkt eben doch den intellektuellen Input der Fakultätsmitglieder und Studenten.

Ansonsten geht mein Alltag hier seinen geregelten Gang, ich verbringe viel Zeit im Labor, finde es aber sehr spannend und hoffe, in den verbleibenden 7 Wochen noch ein paar Ergebnisse für die Präsentation in Lübeck zu erhalten. Hier bin ich mal in meiner Arbeitskleidung in unserem speziellen Labor zu sehen.
Nächstes Wochenende werde ich wahrscheinlich mit Eric, meinem Kollegen Joseph und dessen Freundin sowie Felix, der aus New York kommt, einen Ausflug nach Norden machen, um in Vermont noch den Indian Summer zu sehen. Da es etwas weiter mit dem Auto zu fahren ist, werden wir wahrscheinlich irgendwo übernachten. Die Laubfärbung ist jetzt schon sehr ausgeprägt, und es wird nicht mehr lange dauern, bis die Blätter von den Bäumen fallen. Herbst und Frühjahr sind hier wohl eher kurze und heftige Jahreszeiten, und im November kann es schon Schnee geben.

Montag, Oktober 09, 2006

Ein paar Alltagsimpressionen

Da ich ja nicht immer nur in der Weltgeschichte herumreise, sondern mich die meiste Zeit in New Haven aufhalte, will ich doch mal ein paar Eindrücke aus dem amerikanischen Alltag mit euch fleißigen Lesern teilen.

Da wäre zunächst mal das Fernsehen: Nicht nur gibt es hier diverse Kabelfernseh-Anbieter, sondern auch die unterschiedlichsten Programme. Von Kochkanälen über Heimwerken über (meist kostenpflichtige) Spielfilmkanäle und Halbseidenes bis hin zu Kinderprogrammen und Religionssendern. Das Niveau der meisten Sendungen ist aber eher niedrig, und so etwas Seriöses wie die Tagesschau gibt es gar nicht. Die meisten Leute schauen nur den Bush-treuen Nachrichtenkanal Fox News, aber ich halte mich an BBC und ans Internet, sowie ans National Public Radio (vergleichbar mit Deutschlandfunk). Letztens habe ich etwas im Fernsehen gesehen, was ich niemals für möglich gehalten hätte: Einen religösen Fanatikersender namens Angel One mit so schönen Sendungen wie "Time for miracles" und "Abortion hurts women". Letztere Show kam scheinbar harmlos daher, mit Interviews von Frauen, die nach ihrer Abtreibung Depressionen bekamen, aber schließlich Hilfe bei einer ganz bestimmten Person fanden: Jesus Christus. Gruselig. Auf dem gleichen Kanal laufen auch schon mal Predigten von Fernsehpriestern, die gegen Homosexuelle, Drogensüchtige und Kriminelle wettern - solche Inhalte fallen hier unter Meinungsfreiheit. Das andere Extrem im Fernsehen sind unzählige pseudo-dokumentarische Sendungen über plastische Chirurgen, die nicht nur Brüste und Fetthüften verschönern, sondern auch Körperteile unter der Gürtellinie, bei denen man niemals gedacht hätte, das man sie verschönern kann. Oh Mann!

Interessant ist auch, dass alle Formate und Serien, die wir auch in Deutschland kennen (wie z.B. Deutschland sucht den Superstar) und die teilweise hier erfunden wurden, hier auch im Fernsehen laufen. Meine Kollegen waren sehr überrascht, dass ich die meisten Serien kenne. Mal schauen, welcher hier in den USA gerade neue Fernsehtrend nächstes Jahr zu uns nach Deutschland schwappt. Ich habe da ja so meine Verdächtigen.

Ansonsten habe ich mich hier sehr gut eingelebt, verfolge eifrig meine Experimente und genieße meine freie Zeit mit ein paar Bekannten, die ich hier kennengelernt habe. So war ich letztes Wochenende mit Julia, einer Deutschen, und Sarah, einer Amerikanerin, die ich beide bei der letzten Filmnacht kennengelernt habe, in einem kleinen Cafe um die Ecke frühstücken. Die Leute hier stehen unheimlich auf Haferflocken und machen auch ganz leckere Müslis daraus: mit Früchten und warmem (!) Joghurt (klingt komisch, ist aber unheimlich lecker). Donnerstag war ich wieder bei der Filmnacht (diesmal Indiana Jones 2 und Freitag abend mit Julia und ein paar ihrer Freunde in einem urigen Pub, mit Riesenburgern und Riesen-Bierkrügen. Das Bier hier schmeckt aber nicht und ist vor allem total dünn. Heute habe ich den Sonntag genutzt, um noch mal bei wunderschönem Herbstwetter auf den East Rock zu wandern. Dort habe ich auf einer Bank in einem Roman gelesen, den Blick auf New Haven genossen und ein wenig in der Sonne gedöst. Und plötzlich, klingeling, kommt ein Eisverkäufer in einem total bunten Auto um die Ecke, und alle Kinder (inkl. der schon erwachsenen wie mir) stürzten auf den Wagen zu und kauften Eis. Das Eis hier ist übrigens sagenhaft und hat etwa 1000 Kalorien pro Portion, aber ist unglaublich lecker.

Donnerstag, Oktober 05, 2006

23.09.2006 - Boston: Ein bißchen Europa in Amerika

Nach viel Arbeit am letzten Wochenende komme ich nun endlich dazu, meinen Bericht aus Boston online zu stellen.

Mein Zugticket für Amtrak hatte ich drei Tage vorher online gekauft und bereits am Bahnhof abgeholt. Früh um acht holte mich dann der wie immer praktische Yale-Shuttle von zu Hause ab und brachte mich zum Bahnhof. Die Züge hier sehen genauso aus wie im Fernsehen, sind komplett aus Metall (Aluminium) und fahren eher langsam. Im Gegensatz zu Deutschland sind die Schaffner super-freundlich und sagen jedem Passagier, wann er aussteigen muss.

Gegen 11 Uhr vormittags kam ich in Boston an und traf dort meinen Kommilitonen Michael, der bis Ende September ein Praktikum in Harvard absolviert. Zum Glück hörte es auf zu regnen, als ich in Boston ankam, allerdings hingen den ganzen Tag dicke graue Wolken über der Stadt und es war sehr schwül.

Vom Bahnhof Back Bay liefen wir in Richtung Prudential Center hin zum Christian Science Center. Die Architektur Bostons ist sehr interessant und unheimlich europäiisch: säulenumstandene Rundbauten aus Sandstein (ähnlich dem Kapitol in Washington oder wie viele Gebäude in Großbritannien) und kleine, an britische Pubs erinnernde Häuser wechseln sich ab mit modernen Wolkenkratzern. Im Gegensatz zu New York gibt es in Boston aber keine düsteren Straßenschluchten, sondern die Hochhäuser wirken für sich allein und bilden einen reizvollen Kontrast zu den historischen Gebäuden. Zudem kann man Boston sehr gut zu Fuß erkunden und ist nicht unbedingt auf die U-Bahn angewiesen.





Beim Christian Science Center befindet sich die Mary Eddy Baker Library, gestiftet von einer reichen christlichen Adligen um 1900. Dort befindet sich das weltberühmte Maparium, eine begehbare Weltkugel aus farbigen gebogenen Glasplatten, die hinterleuchtet sind. Diese Sehenswürdigkeit wurde 1920 fertiggestellt und zeigt die Welt mit den damals existierenden Staaten. Natürlich ist die Besichtigung medial aufgemotzt mit dramatischer Musik und einem emotionalen Sprecher, der darauf hinweist, dass es heute einige der Länder nicht mehr gibt (ach, echt?), z.B. das “totalitäre Regime” der Sowjetunion und die afrikanischen Kolonien. Natürlich sind hier alle sehr stolz, in solch einem freien Land wie den USA leben zu dürfen. Nach so viel rührseligem Patriotismus brauchten wir nationalstolzfreie Deutsche erst mal einen Kaffee ;-)

Weiter ging es in Richtung des Boston Commons, dem größten Park der Stadt. Durch Boston zieht sich ein Band mehrerer Grünanlagen, entworfen vom gleichen Architekten, der auch den New Yorker Central Park gestaltet hat, und in manchen findet man Teiche, auf denen man in Schwanenbooten herumfahren kann.


Vom Boston Commons liefen wir entlang des Freedom Trails (einem Rundweg zu den wichtigsten Orten der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung) in Richtung Boston Harbor. Boston, eine der größten Hafenstädte der USA, besteht genau genommen aus mehreren Inseln und Halbinseln, die alle durch Fährlinien miteinander verbunden sind. Einige der Inseln sind reine Erholungsgebiete, andere eher Vororte von Boston. Zusätzlich umfließt der Charles River die Westseite der Innenstadt Bostons. An einem der Piers machten wir Rast und ließen die Seele beim Blick aufs Wasser baumeln.




Vom Hafen liefen wir auf die andere Seite der Innenstadt durch das malerische Viertel Beacon Hill (mit süßen Backsteinhäusern) zum Charles River und lauschten einem Jazz-Konzert am Wasser (es fand gerade ein Festival statt) – und wieder wünscht man sich, man könnte um 17:00 abends im Biergarten ein Bier oder Alsterwasser bestellen und die Musik genießen, doch wir sind ja in Amerika, und das Alkoholausschankgesetz Bostons ist wohl das strengste in den USA. Hier dürfen Restaurants nur dann draußen auf der Terrasse oder Straße Alkohol ausschenken, wenn der Außenbereich umzäunt ist und ein extra Kellner die Ausweise kontrolliert. So viel zum “Land of the Free”… (Anscheinend müssen die Bürger hier ständig vor sich selbst geschützt werden.)

Vom Jazz am Wasser machten Michael und ich uns schließlich auf zur Longfellow Bridge, von der aus man einen tollen Blick auf Bostons Skyline hat.



Von dort aus fuhren wir ein paar Stationen mit der U-Bahn bis zum Harvard Square, dem Campus der Harvard University. Der Campus ist dem von Yale recht ähnlich, nur rote Backsteingebäude statt gothischem Schnörkel. Harvard verfügt angeblich über die größte Universitätsbibliothek der Welt, die allerdings von außen nicht sehr groß aussieht. Die Stifterin, deren einst in Harvard studierender Sohn beim Untergang der Titanic ums Leben gekommen ist, hatte nämlich für die Errichtung der Bibliothek die Bedingung gestellt, dass das Gebäude inkl. Studierzimmer des Sohnemanns niemals verändert werden darf, d.h. keine Anbauten, Aufstockungen oder ähnliches. Der Clou ist, dass man die Bibliothek trotzdem erweitert hat, nämlich unterirdisch in mehreren Stockwerken.

Am Harvard Square gingen wir dann noch zu Abend essen und gönnten uns riesige Burger und Salate in einer quirligen Bar. Von dort aus spazierten wir dann wieder Richtung Bahnhof und machten noch einen abendlichen Abstecher an der Longfellow Bridge, um die Skyline noch einmal bei Nacht zu bestaunen.

Gegen 22:00 Uhr fuhr dann mein Zug in Richtung New Haven, und ich wurde gegen 1:00 Uhr sicher nach Hause gebracht von einem der kleineren Shuttle-Jeeps mit einem richtigen amerikanischen Sheriff: “Ma’m, I’m here to take you home safely. I will not leave ‘til you’re in the house!” Und wirklich, die Jeeps haben große Scheinwerfer auf dem Dach, mit denen sie den Eingang des Hauses ausleuchten, bis man sicher drinnen ist. Nach einem so ereignisreichen Tag fiel ich dann nur noch todmüde ins Bett.