Mittwoch, September 27, 2006

27.09.2006 - Ein kaputter Computer, aber trotzdem ist hier ganz schoen was los

Lange habe ich nichts mehr geschrieben - das liegt aber nicht daran, dass ich nichts Neues zu berichten weiss, sondern an meinem iBook, das zur Zeit ein wenig spinnt und nur alle drei Tage mal fuer eine Stunde funktioniert. Das Problem werde ich wohl hier irgendwie loesen muessen - im schlimmsten Fall muss wohl ein neuer Rechner her (die sind hier in den USA auch etwas billiger auch in Europa).
Was habe ich in den letzten 2 Wochen erlebt?
Zunaechst einmal gibt es viele spannende Aufgaben im Labor. So langsam finde ich mich zurecht und habe auch sehr abwechslungsreiche Aufgaben: Von Klonierung bis hin zur Zellkultur und Infektion der Zellen mit Viren in einem Labor der Sicherheitsstufe 2+ ist alles dabei, und so sind meine Tage meistens recht lang. Vor allem die Arbeit mit Viren macht Spass, da ich so etwas noch nie gemacht habe. Besonders fuer meine Verwandten sei zur meiner Arbeit gesagt, dass Sicherheitsstufe 2+ nichts besonders gefaehrliches bedeutet: Es handelt sich um einen separaten Raum mit spezieller Belueftung, in dem Experimente mit Erregern durchgefuehrt werden, die zwar bei Mensch und Tier Infektionen ausloesen koennen, aber von selbst wieder ausheilen - also z.B. Schnupfenviren. Natuerlich versprueht oder verkleckert man keine Proben frei im Raum, sondern arbeitet unter einer Sterilbank mit Sichtschutz und Abzugshaube, traegt nicht nur den obligatorischen Laborkittel, sondern einen Einwegoverall, Schuhueberzieher, einen leichten Gesichtsschutz aus Plastik (sieht aus wie die, die Schweisser tragen) sowie zwei paar Handschuhe. In dieser Montur fuehrt man dann seine Experimente durch. Vor Verlassen des Labors muss man alle Schutzkleidung ausziehen - man vergisst also besser keine Chemikalien oder Proben fuer das Experiment ausserhalb des Labors, denn sonst muss man sich ausziehen, das Vergessene holen und sich dann im Labor wieder anziehen, was insgesamt etwa 15 min dauert. Ich muss unbedingt demnaechst mal jemanden bitten, ein Foto von mir zu machen, das stelle ich dann hier auf die Seite. Sich angesichts solcher Sicherheitsmassnahmen mit irgendeinem Erreger zu infizieren, ist sehr, sehr unwahrscheinlich und beruht, wenn es denn doch passiert. auf eigener Dummheit. Ich darf diese Experimente auch nur unter Anleitung und Aufsicht eines erfahrenen Mitarbeiters durchfuehren.

Vor zwei Wochen war ich hier am Meer, und zwar bei einer Art Institutsausflug in ein Hotel in einem Nachbarort. Da hier alle ganz verrueckt nach Wissenschaft sind, gab es den ganzen Tag Vortraege der einzelnen Arbeitsgruppen zu den aktuellen Forschungsthemen und auch eine Postersession der Doktoranden und Postdocs. Eine gute Gelegenheit, ein paar andere Leute kennenzulernen und ein wenig am Strand spazieren zu gehen. Der junge Mann neben mir ist Joseph, mein Laborkollege, und das unterste Fotp zeigt den Ort unseres Ausflugs, ein nobles Resort und Spa.




Ansonsten wundere ich mich immer noch ueber einige amerikanische Eigenheiten, besonders bezueglich der Ernaehrung: Im Supermarkt gibt es nur zwei Extreme, Ungesund und Ueber-Gesund. Ich wollte normalen Joghurt kaufen, doch im Kuehlregal fand ich nur fettfreien Joghurt oder extra-sahnige chemisch aussehende Mischungen. Genauso fettfreie Milch - wo bleibt da der Geschmack? Als ich mich darueber mit ein paar Kollegen unterhielt und gefragt wurde, was fuer Milch ich denn trinken wuerde, sagte ich "Vollmilch" oder zumindest "fettarme Milch" und erntete erstaunte Blicke. Anscheinend gilt Vollmilch, noch dazu frische, nicht totpasteurisierte, hier als ungesund. Es gibt hier auch in jedem Supermarkt Bio-Produkte, allerdings sind die dreimal so teuer wie normale. Interessant ist dann andererseits, dass es hier ein wachsendes Bewusstsein fuer die durch Fastfood verursachten Herz-Kreislaufkrankheiten, Diabetes und Uebergewicht gibt - auf jedem Nahrungsmittel steht der Kalium- und Natriumgehalt, der Fettgehalt und hilfreiche Hinweise, dass z.B. dieser Orangensaft gut geeignet ist fuer eine gesunde Ernaehrung. Und dann wieder sieht man im Fernsehen Werbespots fuer "Triple"-Burger mit ueber 250 g fettem Fleisch, oder fuer Lasagne-Pizza (echt, Lasagne auf einer Pizza).

Zum Taekwondo gehe ich zwei- bis dreimal die Woche, meist direkt nach der Arbeit: Hier herrscht Tradition, und so gruessen wir nicht nur am Anfang und Ende jedes Trainings die koreanische und amerikanische Flagge, sondern sagen auch brav im Chor "Yes, Sir" zu jeder Anweisung des Trainers. Das Training macht aber Spass und besteht vor allem aus Kick-Training und Sparring. Meine guten technischen Grundlagen aus Luebeck (sogar im Vergleich zu so manchem hoeheren Guertel) kann ich hier super mit Kampftechniken ergaenzen, und die Leute sind auch nett. Die "Turnhalle" (Gym genannt) an sich ist auch beeindruckend: Ein achtstoeckiger pseudo-gothischer Turmblock mit etwa 15 Sporthallen, Fitnesstudio, einem Rudertrainingsbecken und Squashanlagen. Es soll wohl die zweitgroesste Uni-Indoor-Sportanlage der Welt sein.

Hier noch ein paar Fotos vom Campus. Das erste ist ein Wohncollege, das zweite zeigt das Campus Green, dann der Turm der Bibliothek, die "Turnhalle" und ein weiteres Wohncollege.






Letzte Woche war ich dann noch eingeladen zu einem Filmabend in einem Haus gleich um die Ecke von meiner Wohnung, das zur Haelfte von Deutschen bewohnt wird (alle in unterschiedlichen Fachrichtungen). Bei 12ºC abendlicher Kuehle haben wir in dicke Decken eingemummelt im Garten den Film geschaut, der mit einem Beamer an ein Laken am Garagentor projeziert wurde. Dabei habe ich sehr nette Leute (aber nicht nur Deutsche) kennengelernt, mit denen ich sicher naechstes Wochenende etwas unternehmen werde.

Letztes Wochenende habe ich Michael in Boston besucht - den Bericht verschiebe ich allerdings auf spaeter, denn jetzt will ich erst mal zum Sport.

Sonntag, September 10, 2006

10.09.2006 - East Rock Park, ein echter Felsen - und endlich ist Donia da

Heute, am Sonntag, wollte ich den nahegelegenen East Rock Park erkunden. Ich war dem Irrtum erlegen, es handele sich im Wesentlichen um Grünflächen, Bäume und Spazierwege - doch als ich in Richtung des Parks lief, tauchte plötzlich ein riesiger roter bewaldeter Felsen vor mir auf. Aha, East Rock ist also ein wirklicher "Rock"!
Nun ja, da musste ich natürlich hinauf, und laut meiner Nachbarin Cindy gibt es auch einen Wanderweg. Da der Pfad nicht wirklich gut ausgeschildert war, fragte ich ein paar Leute, und die Reaktionen waren meist: "Da hinauf? Das ist anstrengend, eine starke Steigung." Da Amerikaner manchmal etwas fußmarschfaul sind (echt!), beschloss ich, das Abenteuer trotzdem auf mich zu nehmen und den Weg zumindest zu versuchen. Und siehe da, 30 min leichter Aufwärtsweg durch den Wald (für die Familie: nicht steiler und unwegsamer als auf den Waldwegen um Katzhütte herum), und ich war oben.

Dort befand sich eine 30 m hohe Statue, an der gerade Renovierungsarbeiten durchgeführt wurden - und plötzlich sprach mich einer der Gerüstbauer an: Er hätte mich auf der zum Wanderweg führenden Straße am Fuße des Berges gesehen, und ob ich wirklich den ganzen Weg hinaufgelaufen sei??? Oh Mann, klar, ich bin eben echt hart im Nehmen, so ein schwerer Aufstieg! ;-) Echt seltsam. Vom East Rock hatte ich einen echt phänomenalen Ausblick über New Haven, bis hin zum Meer. Den Strand muss ich definitiv am nächsten Wochenende besichtigen, wenn das Wetter mitspielt. Im Moment ist es super sommerlich, zwischen 20°C und 26°C, teilweise schwül.

Abends ist meine Vermieterin Donia aus Kanada, wo ihre Partnerin lebt, zurückgekehrt. Donia stammt aus dem Libanon, wanderte allerdings als Kind mit ihren Eltern nach Kanada aus und unterrichtet Französisches Theater in Yale. Sie ist 37, wirkt aber total jugendlich und sportlich, eher wie eine große Schwester. Am Abend hat sie mich gleich noch zu einem Supermarkt (die haben hier meist bis mind. 22:00 auf) mitgenommen und mich in die Benutzung der Waschmaschine eingewiesen. Das ist nämlich ein riesiges Monsterding mit Propeller statt einer Trommel. Die Waschmaschinen hier sind anders als die in Deutschland, es gibt keine Schonprogramme und nur drei verschiedene Temperaturen: cold, warm und hot. Aber wie warm ist warm, wie hot ist hot??? Das Waschprogramm dauert auch nur 15 Minuten, und um die Sachen halbwegs sauber zu kriegen, muss ich, wie mir Donia erklärte, das Programm dreimal hintereinander starten. Naja, ich wasche alles kalt mit warmer Spülung hinterher, und es wurde auch sauber. Somit habe ich die Alltagsdinge schon ganz gut im Griff.

Samstag, September 09, 2006

09.09.2006 - Protokoll: Die erste Woche in Yale

Die erste Woche in New Haven war sehr geschäftig, wie das eben so ist, wenn man an einen neuen Ort kommt: Ich musste ein Bankkonto einrichten, einkaufen, mich beim International Student Office anmelden, zwei Laborsicherheitstrainings absolvieren und etwa 5 cm Paper als Einführung in meine Experimente lesen. Leider habe ich meinen Laptop im Labor noch nicht ans Netzwerk anschließen können, da Walther, mein Betreuer, diese Woche zu seinem zweiwöchigen Deutschlandurlaub aufgebrochen ist und noch keinen Account für mich eingerichtet hat. Daher konnte ich leider keine Fotos unserer letzten Etappen online stellen.

Aber der Reihe nach: Am Montag trafen sich alle Mitarbeiter von Walthers Labor trotz des amerikanischen Feiertags (Labor Day, ähnlich wie bei uns 1. Mai) im Boyer Center, um die Projekte zu besprechen. Dabei gab es gleich die ersten Lacher, denn gleichzeitig mit mir fängt ein anderer Masterstudent von Yale im Labor an, und sein Name ist Joseph. Aus unerfindlichen Gründen fanden es Walther und Pradeep, sein langjähriger Mitarbeiter, unendlich lustig, dass Maria und Joseph (wie in der Bibel) nun zu ihrer Arbeitsgruppe gehören. Den Dienstag habe ich damit verbracht, mich beim International Office anzumelden und meine ersten Plasmide herzustellen. Das Büro habe ich erst nicht gefunden und wurde eine Stunde bei Regen auf dem Campus von A nach B geschickt - und das nur, weil an dem vormaligen Gebäude des International Office noch das alte Schild hing, das Büro aber längst umgezogen war.

Von dort, wo ich wohne, bis zum Boyer Center sind es etwa 40 min zu Fuß durch Wohnviertel und Downtown New Haven, per Bus etwa 20 min. Sobald meine Vermieterin und Mitbewohnerin wieder da ist, kann aber ich deren Fahrrad benutzen. Der Verkehr hier ist relativ ruhig, keine fünfspurigen Straßen, und meist gibt es Radwege. Hier mal ein typisches Foto aus meinem Viertel. Besonders das zweite Bild sagt recht viel über den Durchschnittsamerikaner aus.


Mittwoch und donnerstag habe ich an jeweils dreistündigen Sicherheitstrainings teilgenommen, eine Voraussetzung, um hier offiziell im Labor arbeiten zu dürfen. Dabei ist mir gleich aufgefallen, dass hier anscheinend unendlich viele Mitarbeiter beschäftigt sind. Es gab eigens produzierte Sicherheitsvideos, daumendicke Manuskripte und mindestens fünf verschiedene Mitarbeiter allein beim Laborsicherheitsbüro. Dazu kommen noch die ganzen Fahrer der Shuttlebusse, die Sicherheitsbeamten an den Eingängen der größeren Gebäude, Gärtner usw. usw. Ich schätze mal, dass hier etwa 10.000 Leute arbeiten, bei etwa ebenso vielen Studenten. All dies wird natürlich von den Studiengebühren bezahlt.

Am Donnerstag führte Joseph mich und Tobi, meinen Kommilitonen aus Lübeck, über den Campus. Der Kernbereich der Yale-Universität besteht aus neun Quadraten, wobei sich im mittleren das New Haven Green befindet, eine große Wiese mit Spazierwegen und einer Kirche. Auf dem Green findet viel buntes Unileben statt: Ob Campus-Lauf, Open Air-Konzerte im Sommer, Gottesdienst oder einfach Picknick - stest bevölkern eine Menge Menschen die Wiese. Darum herum befinden sich alte Gebäude - zumindest sehen sie so aus. Zwar wurde die Universität Mitte des 18. Jahrhunderts gegründet, doch die meisten Gebäude wurden erst in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts nach britischem Vorbild (Oxford, Cambridge) im pseudogothischen Stil erbaut. Teilweise hat man bei Nischen über Toreingängen sogar bewusst die eigentlich dorthin gehörenden Statuen weggelassen, um es so aussehen zu lassen, als seien diese im Laufe der bewegten Geschichte gestohlen oder zerstört worden!

Das Interessante an Josephs Rundgang über den Campus war, dass wir auch ein paar der Residential Colleges besichtigten: Wenn die Erstsemester nach Yale kommen, wird ihnen ein Wohnbereich (Residential College) direkt auf dem Campus zugewiesen - von Wohnheimen zu sprechen, wäre aber nicht angemessen, denn die Höfe befinden sich in den historischen Bauten mit wunderschönen Wiesen und Blumenbeeten, und man fühlt sich, als wohne man in einem englischen Schloss. In einem Residential College wohnen etwa 50-100 Studenten verschiedener Fachrichtungen, und nicht nur die Unterkunft, sondern auch die Verpflegung ist in den Studiengebühren enthalten. Jeder Wohnbereich hat seinen eigenen Essensraum, eigene Hausmeister und Wäscheräume und ist somit autark.

Natürlich besitzt auch die Yale University einen Uni-Turm mit Glockenspiel: Hier ist es ein gothisch verschnörkelter Kleckerburg-Turm, und zweimal täglich um 12:30 und 17:00 wird ein Lied gespielt. Das Erstaunliche ist, dass das Glockenspiel nicht elektronisch gesteuert ist, sondern ein Mitglied des Orgel- und Glocken-Vereins (oder so ähnlich) an der Uni dort oben im Turm die Züge der Glocken bedient. Wenn man jemanden aus diesem Verein kennt, kann man sich ein Lied wünschen, das gespielt werden soll, und so sollen sogar schon Lieder von den Rolling Stones oder Britney Spears als Glockenspiel über den Campus geklungen sein.

Der nächste Punkt auf unserer Campustour war die Hauptbibliothek. Sie sieht von außen und auch von innen aus wie eine Kirche, mit bemalten hohen Glasfenstern und natürlich uralten Bücherregalen. Im Lesesaal gibt es gemütliche Ledersessel und Chaiselongues - man kann den Geist des genialen Wissens fast spüren. Neben der Hauptbibliothek gibt es noch eine zweite Bibliothek, in der die wirklich wertvollen und unbezahlbaren alten Bücher aufbewahrt und teilweise auch ausgestellt sind, u.a. eine Gutenberg-Bibel. Das Gebäude an sich ist fantastisch. Von außen ist es ein Marmorklotz komplett ohne Fenster, doch im Inneren scheint durch die Maserung der Marmorplatten das Licht hinein - fast wie in einer Höhle.

Donnerstag abend nahm mich dann noch Cindy, meine sehr nette Nachbarin, per Auto mit zum etwas entfernten größeren Supermarkt. In Downtown New Haven und auf meinem Weg zur Uni komme ich nur an einigen kleinen Lebensmittelläden (Delis oder Gourmet Food Stores) vorbei, die teilweise recht teuer sind. Übrigens gibt es in New Haven eine gar nicht so kleine Gemeinde italienischer Einwanderer, und so kann man in den Delis italienische Sandwiches, Nudeln, Salate und vor allem die berühmte New Haven Pizza kaufen. Meist sind auch gleich Cafes angegliedert, in denen am Wochenende viele Studenten frühstücken gehen.

Aber ich schweife schon wieder ab: In dem großen Supermarkt, zu dem mich Cindy fuhr, habe ich erst mal Essen für eine halbe Armee erstanden, vor allem die Basics wie Nudeln, Brötchen, Gemüse und Obst. Beim Versuch, eine Fertigpizza (hey, wir sind schließlich in Amerika!) im Backofen zu erwärmen, habe ich dann gleich den Feuermelder des angrenzenden Schlafzimmers ausgelöst. Das lag aber nicht daran, dass mit dem Gasherd irgendwas nicht in Ordnung war, sondern einfach am natürlichen Pizzabackofengeruch, den der Sensor anscheinend nicht mochte. Nachdem ich nach einiger Suche nach der Herkunft des ohrenbetäubenden Sirenengeheuls den Brandmelder endlich lokalisiert hatte, ging das Ding nach Schließen der Schlafzimmertür zum Glück von selber aus. Was für ein Schreck! Na ja, die Feuermelder haben schon ihren Sinn, schließlich sind hier alle Häuser bis auf das Fundament komplett aus Holz, doch direkt neben der Küche ist wohl ein eher schlechter Platz für so ein sensibles Teil.

Am Freitag ging die Laborarbeit ihren gewohnten Gang. Gegen 17:00 wurde ich in ein weiteres amerikanisches Ritual eingeführt - die Instituts-Happy-Hour. Alle zwei Wochen im Semester richtet eine Arbeitsgruppe diese Zusammenkunft aller Arbeitsgruppen des Instituts aus, es gibt Bier und Wein (und auch alkoholfreies ;-)), etwas zu essen, und auf der Dachterrasse sitzen alle gemütlich für ein oder zwei Stunden beisammen. So habe ich ein paar Mitarbeiter anderer Labors kennengelernt. Danach gehen die Leute entweder nach Hause oder zurück ins Labor.

Allgemein habe ich den Eindruck, dass die Leute hier Arbeit und Privatleben stärker verbinden. So kommen auch Ehepartner und Kinder zur Happy Hour, und am Wochenende picknicken die Leute auf dem Campus, teilweise mit Kollegen. Undenkbar in Deutschland? Ich denke, hier wird die gesamte Infrastruktur und eine schöne, ansehnliche Umgebung zum Entspannen zur Verfügung gestellt und die Angestellten wissen es zu schätzen - die Mentalität in Deutschland ist einfach anders, wir Deutschen trennen stärker in Arbeit und Freizeit.

Wahrscheinlich werde ich aufgrund meiner ja recht knappen drei Monate hier auch den ein oder anderen Nachmittag am Wochenende im Labor (wie gestern am Samstag) verbringen, einfach um Experimente für die Woche vorzubereiten.

Samstag, September 02, 2006

02.09.2006 - Bye Bye New York, Welcome To New Heaven

Heute war unser letzter Tag gemeinsam in den USA, und passend zur Abschiedsstimmung regnete es aus Eimern. Da Tiarks Flug erst am späteren Abend von Newark ging, konnten wir gemütlich unsere Sachen packen, im Hostel auschecken und den halben Tag noch nutzen, um ein bisschen in SoHo bummeln zu gehen und noch mal schön beim "Ajisen Ramen" in Chinatown essen zu gehen - der japanisch-koreanischen Imbisskette, die ich in Shanghai jede Woche mindestens zweimal aufgesucht habe. Sobald die erste Filiale davon in Lübeck aufmacht, bin ich die erste Stammkundin, soviel ist sicher.

Gegen 17:00 habe ich schweren Herzens Tiark zur U-Bahn gebracht, meine Koffer aus dem Hostel geholt und bin mit einem Taxi zum Grand Central Terminal, dem Hauptbahnhof in Manhattan, gefahren. Von dort verkehrt alle 30 min ein Pendlerzug (Regionalbahn) direkt nach New Haven, die Fahrt dauert etwa anderthalb Stunden - ich wohne und arbeite sozusagen in einem Vorort von New York! Allerdings liegt New Haven schon im Bundesstaat Connecticut.

Vom New Havener Bahnhof bin ich mit einem Taxi zum Boyer Center of Molecular Medicine gefahren, meinem zukünftigen Arbeitsplatz. Dort wollte mir Tobias, ein Kommilitone aus Lübeck, der gerade seine Masterarbeit bei meinem Betreuer Walther Mothes beendet, die Schlüssel zu "meiner" Wohnung geben. Meine Vermieterin Donia, Professorin für Französisch und Theater, ist nämlich zur Zeit noch unterwegs und kommt erst Mitte der Woche aus Kanada zurück.

Im Boyer Center machte ich dann erst mal meine Erfahrungen mit den allgegenwärtigen Sicherheitsbeamten: Ich wurde gefragt, zu wem ich denn wolle, und da ich Tobias' Namen wohl nicht (für sie) richtig ausgesprochen hatte, wollten sie mein Einladungsschreiben sehen. Okay, das hatte ich dabei. Dann riefen sie, ohne mich einmal zu Wort kommen zu lassen, bei Walther im Büro an, um ihn zu fragen, ob denn alles seine Ordnung mit mir hatte. Natürlich war Walther aber Samstag abend nicht im Büro. Meine Einwände, dass nicht Walther, sondern Tobias auf mich wartete, blieben ungehört, bis ich darum bat, die ganze Sache noch einmal von vorne erklären zu dürfen. Zum Glück kam Tobias, den ich vom Bahnhof aus angerufen hatte, in diesem Moment ins Foyer, um mich in Empfang zu nehmen. Der abschließende Kommentar des Security Beamten: "We are always pleased to help you! Welcome to Yale! " Na, vielen Dank auch.

Nach tiefem Aufatmen habe ich dann gleich noch die Bibliothek der Medizinischen Fakultät besichtigt - sie sieht aus wie ein Museum, mit hohen dunklen Regalen voller Bücher, gemütlichen Ledersofas und Fenstern fast wie in einer Kirche. Und das war noch nicht die Hauptbibliothek von Yale! Im Labor habe ich Pradeep, einen wissenschaftlichen Mitarbeiter indischer Abstammung, kennengelernt - alle anderen sehe ich aber erst am Montag oder Dienstag.

Danach bin ich endlich mit meinem Sack und Pack zum Haus gefahren, und zwar recht praktisch: Hier in Yale gibt es ab 18:00 abends einen kostenlosen Bus-Shuttle, der regelmäßig die Institute abfährt oder den man anrufen kann. Wenn man seine Adresse nennt, wird man direkt nach Hause bis vor die Tür gefahren. Dies ist natürlich einerseits Luxus, der von den teuren Studiengebühren bezahlt wird, andererseits gibt es hier Gegenden, in denen die Kriminalitätsrate aufgrund schlechter Lebensbedingungen recht hoch ist. zur Beruhigung sei gesagt, dass meine Wohngegend, der Weg zur und der gesamte Bereich um die Uni sehr sichere Gegenden sind, das habe ich bereits von Donia und Walther erfahren. Trotzdem sollte man aber - wie in anderen amerikanischen Städten auch - vor allem abends vorsichtig sein, und da ist der Shuttle natürlich hilfreich.

Das Haus in der Mechanic Street ist wie fast alle hier aus Holz, außen rot angestrichen und hat drei Stockwerke. Im Erdgeschoss mit separatem Eingang wohnt Cindy, die mir in der Wohnung ein paar Straßenkarten von New Haven und einen Willkommensgruß hinterlassen hat. Im mittleren Geschoss befinden sich die große Küche mit Tresen, ein Esszimmer, ein Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer (eins davon ist meins), ein Bad mit Badewanne und ein Abstellraum mit Waschmaschine und Trockner. Ganz oben wohnt Donia mit ihrem Arbeitszimmer, Schlafzimmer und Bad. Die Wohnung ist insgesamt riesig und sehr gemütlich eingerichtet: Parkett, hölzerne Doppelfenster, Einbauschränke und sogar ein Sofa von IKEA (gibt es hier auch) - es ist sogar aus der gleichen Serie wie unseres in Lübeck, bloß größer und blau statt beige. Auf der zweiten Etage habe ich, da das andere Schlafzimmer anscheinend nicht bewohnt ist, mein eigenes Bad. Mein Zimmer ist praktisch eingerichtet mit viel Stauraum für meine Sachen, Schreibtisch und Einbauschrank. Hinter dem Haus gibt es noch einen kleinen Garten mit Gemüsebeet - ich habe Kräuter, Tomaten und Paprika gesehen. Klingt gut, oder?

Jetz habe ich mir noch einen Tee gekocht und werde gleich ins Bett gehen. Hier noch ein paar Bilder von meinem Zimmer und der Wohnung.



Freitag, September 01, 2006

01.09.2006 - Kunst, Kultur und alte Freunde

Heute wollten wir uns die volle Ladung Kultur geben und fuhren morgens zum Guggenheim Museum. Dort werden neben einer einzigen Dauerausstellung (einer Gemäldesammlung einer reichen Familie) ständig neue Sonderausstellungen gezeigt. Da das Gebäude des Guggenheim gerade von außen renoviert wurde, konnte man die tolle Architektur des Rundbaus nur von innen genießen: Spiralförmig läuft man auf einer Galerie um das Atrium bis in den 5. Stock, wobei auf jedem Stockwerk noch Seitenflügel zu besichtigen sind.
Zur Zeit gibt es im Guggenheim eine Ausstellung über das Werk von Jackson Pollock, wobei nicht nur die berühmten Tropfen- und Farbspritzer-Bilder (Action Painting) gezeigt wurden, sondern auch "richtige" Zeichnungen aus seiner frühen Schaffensphase. Außerdem gab es eine Ausstellung zu Kandinsky's Werk, die ebenfalls alle Arbeitsperioden und -stile umfasste, was sehr interessant war, weil man ja meist nur die Bilder mit geometrischen Figuren von Kandinsky kennt. Entlang der Galerie befand sich eine Ausstellung zum Werk von Zaha Hadin, einer weltberühmten Architektin, die unter anderem die futuristischen Bauten des BMW-Werks in Leipzig und des Phaeno Science Centers in Wolfsburg entworfen hat. Das Besondere war, dass nicht nur Modelle der Gebäude, sondern auch Skizzen und Studien, die die gewohnten Perspektiven von Bauplänen aufheben, gezeigt wurden - eine Verbindung von Architektur und Kunst, insgesamt sehr futuristisch und visionär.

Nach dem Guggenheim wollten wir ins Metropolitan Museum of Art (MMA). In diesem riesigen Museum findet man alles: von ägyptischen Tempeln, asiatischer Handwerkskunst, griechischen Büsten, mittelalterlichen Glasmalereien, einer Waffenausstellung, Gemälden vom 16.-20. Jhd bis hin zu Möbeln verschiedener Zeitalter - man kann in den Ausstellungen sicher mehrere Wochen verbringen und hat immer noch nicht alles gesehen. Ganz toll ist auch der Dachgarten mit Cafe, von dem aus man den Central Park und die Skyline von Manhattan überblickt.



Abends trafen wir uns mit unserem juFORUM-Freund Felix, der an der New York University seine Doktorarbeit in angewandter Mathematik schreibt. Eigentlich hatten wir vorgehabt, gemeinsam zu einer kostenlosen Aufführung von "Mutter Courage" im Theater im Central Park zu gehen, doch hatte erstens das erforderliche Anstehen für die Karten nicht in unseren Besichtigungsplan gepasst, und zweitens wurde das Wetter abends so schlecht (Regen, Sturm, 15°C), dass wir ganz froh waren, in gemütlichen Kneipen im East Village zu sitzen und nett zu quatschen. Felix teilt sich mit einem Kollegen eine kleine Wohnung, die wir auch noch besichtigten. Nur zur Info: Etwa 40 Quadratmeter kosten in Manhattan 2000 Dollar Miete!

Auf dem Heimweg ins Hostel erwischten uns noch die Tücken der New Yorker U-Bahn: Zwar sind die Pläne selbsterklärend, doch auf jeder U-Bahn-Linie gibt es zusätzlich zu den "Local"-Linien, die an jeder Station halten, noch Expresslinien, die vor allem praktisch sind, wenn man weitere Strecken zurücklegen will. Man muss allerdings höllisch aufpassen, dass man in den richtigen Zug steigt, weil man sonst irgendwo hinter der 100-sten Straße rauskommt, wenn man eigentlich nur in die 23-ste wollte. Zusätzlich verkompliziert wird das Ganze noch dadurch, dass manche Linien nachts anders fahren als am Tag. Die U-Bahnhöfe sind recht alt und teilweise heruntergekommen, aber nicht gefährlich, und ein Tagesticket kostet etwa genauso viel wie in Berlin (7 Dollar).