Montag, Oktober 23, 2006

21./22.10.2006 - Ein Roadtrip zum Indian Summer

Da die Wetteraussichten für das Wochenende vielversprechend waren und die Laubfärbung in Neuengland langsam ihren Höhepunkt erreicht, hatte ich mit Eric und Felix, der dafür aus New York nach New Haven gekommen war, einen Wochenendausflug nach Norden geplant. Ganz zeitig am Samstag fuhren wir in Erics Grand Cherokee Jeep Richtung Norden zur Grenze nach Massachusetts. Auf dem Weg passierten ir Hügelandschaften, Wälder und und überquerten kleinere Flüsse auf den berühmten Covered Bridges. Diese Brücken sind aus Holz und komplett überdacht, und teilweise nur einspurig befahrbar, so dass man sich mit dem entgegenkommenden Verkehr verständigen muss.


Wir fuhren vorwiegend auf kleineren Straßen und kamen an biblisch benannten Orten wie Canaan vorbei. Besonders einfallsreich haben die ersten Einwanderer ihre Orte nicht benannt: Auf unserer Tour begegneten uns Interlaken, Basel, Berlin, Hanover, New Lebanon und Montpelier.

Über Egremont erreichten wir schließlich Great Barrington, wo wir uns zunächst mit Bagels und Suppe stärkten und dann gute zwei Stunden auf dem Appalachian Trail wanderten. Dieser Wanderweg zieht sich auf knapp 2200 Meilen (3500 km) entlang Bergrücken und Tälern der Appalachian Mountains und durchquert die Staaten Maine, New Hampshire, Vermont, Massachusetts, Connecticut, New York, New Jersey, Pennsylvania, Maryland, West Virginia, Virginia, Tennessee, North Carolina, Georgia and Kentucky. Es gibt wohl Wanderer, die die gesamte Strecke in den Ferien bewältigen.
Im Wald kletterten wir über Stock und Stein und genossen schließlich den Ausblick auf den Benedict Pond.


Nach unserer Wanderung machten wir uns auf in Richtung Vermont und stiegen in einem Motel in Williamstown, kurz vor Vermont, ab. Williamstown ist eine nette kleine Stadt mit einem College, und am Samstag abend konnten wir so das Studentenleben in einer Kneipe genießen.
Am nächsten Morgen fuhren wir dann weiter nach Norden, da wir nach Burlington an den Lake Champlain wollten. Auf dem Weg nach Burlington machten wir auf der Suche nach kleineren Straßen als Alternative zum Highway einige kurze Abstecher in malerische Flusstäler. Die Gegend ist sehr ländlich, es gibt viele Farmen und Kuhweiden, und die meist weiß gestrichenen Holzhäuser sehen wirklich so aus wie man es aus Filmen kennt. Neben diesen kleinen Umwegen fuhren wir dann bei Sunderland auf den Mount Equinox, einen etwa 1500 m hohen Berg. Diesen Berg konnte man nur auf einer mautpflichtigen Straße, dem Skyline Drive, aus erreichen, die von Mönchen eines im Tal gelegenen Klosters betrieben wird. Auf dem Gipfel hatte man einen recht schönen Ausblick über den Green Mountain State Vermont, vor allem aber lag dort oben Schnee und es war sehr kalt.


Vom Mt. Equinox fuhren wir dann weiter nach Norden und erreichten am Nachmittag Burlington. Die Stadt liegt am Lake Champlain, der etwa die Ausmaße des Bodensees hat - also für USA-Verhältnisse ein kleinerer See. Es verkehren Fähren zu Inseln und ans andere Ufer. Neben einer schönen Uferpromenade mit Piers und Parks ist vor allem die innenstadt sehenswert. Sie mutet mit Fußgängerzone, Gaslaternen und kleinen Cafes sehr europäisch an - je weiter man Richtung Kanada gelangt, desto europäischer wird es. Leider regnete es in Burlington die ganze Zeit und die Temperatur betrug nur 5ºC, so dass sich unsere Besichtigung auf einen kurzen Bummel durch die Fußgängerzone und ein schönes Stück Kuchen in einem Cafe beschränkte.

Dass Amerikaner in ihrer Kleidungswahl oft nicht sehr elegant und auch bei herbstlichen Temperaturen nicht zimperlich sind, habe ich schon des Öfteren mitbekommen (am College sind Flipflops, Shorts oder Jogginghose und ein weiter Uni-Pulli die "Uni"-form ), aber in Burlington wurde dieses studentische Outfit noch getoppt: Eine Studentin trug doch bei 5ºC tatsächlich Flipflops und Shorts, und dazu eine Winterjacke und Handschuhe!
Am späten Nachmittag fuhren wir dann auf dem Highway zurück nach New Haven, wo wir gegen 24:00 dann erschöpft ins Bett fielen.

Dienstag, Oktober 17, 2006

15.10.2006 - Ein Tag am Meer

Da das Wetter zur Zeit wunderbar ist (kühl, aber sonnig), bin ich dieses Wochenende zum Lighthouse Point Park, dem südlichsten Punkt in New Haven, gefahren. Wie immer waren die Berichte der Amerikaner bezüglich der Ausdehnung dieses Geländes etwas übertrieben – der Park besteht im Wesentlichen aus einem Strand mit Leuchtturm, einem Holzsteg, etwa 400 m Grünstreifen mit Bäumen und Picknickbänken und einem Parkplatz. Im Sommer fahren die Linienbusse, die auch ich genutzt habe, um zum Park zu gelangen, sogar in den Park hinein. Zur Verteidigung der fußmarschfaulen Amis muss ich allerdings zugeben, dass der Strand sehr schön ist, eher naturbelassen mit Felsen, Muscheln, Algen und vielen Möwen. Es herrschte eine steife Brise, und so setzte ich mich auf eine Bank unterhalb des Leuchtturms und schlürfte meinen mitgebrachten Tee. Zum Abschalten am Wochenende war es wirklich schön, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Einen eindrucksvollen Blick in die Bucht vor Downtown New Haven konnte ich auch genießen.

Sonntag abends war ich dann mit Eric, Julias deutschem Bekannten hier, zum Essen in einem Sushi-Restaurant verabredet, und danach sind wir noch in eine Studentenkneipe auf ein Bier und Live-Musik gegangen. Hier sind eigentlich jeden Abend irgendwo Theatervorführungen, Live-Musik oder ähnliche Veranstaltungen – man merkt eben doch den intellektuellen Input der Fakultätsmitglieder und Studenten.

Ansonsten geht mein Alltag hier seinen geregelten Gang, ich verbringe viel Zeit im Labor, finde es aber sehr spannend und hoffe, in den verbleibenden 7 Wochen noch ein paar Ergebnisse für die Präsentation in Lübeck zu erhalten. Hier bin ich mal in meiner Arbeitskleidung in unserem speziellen Labor zu sehen.
Nächstes Wochenende werde ich wahrscheinlich mit Eric, meinem Kollegen Joseph und dessen Freundin sowie Felix, der aus New York kommt, einen Ausflug nach Norden machen, um in Vermont noch den Indian Summer zu sehen. Da es etwas weiter mit dem Auto zu fahren ist, werden wir wahrscheinlich irgendwo übernachten. Die Laubfärbung ist jetzt schon sehr ausgeprägt, und es wird nicht mehr lange dauern, bis die Blätter von den Bäumen fallen. Herbst und Frühjahr sind hier wohl eher kurze und heftige Jahreszeiten, und im November kann es schon Schnee geben.

Montag, Oktober 09, 2006

Ein paar Alltagsimpressionen

Da ich ja nicht immer nur in der Weltgeschichte herumreise, sondern mich die meiste Zeit in New Haven aufhalte, will ich doch mal ein paar Eindrücke aus dem amerikanischen Alltag mit euch fleißigen Lesern teilen.

Da wäre zunächst mal das Fernsehen: Nicht nur gibt es hier diverse Kabelfernseh-Anbieter, sondern auch die unterschiedlichsten Programme. Von Kochkanälen über Heimwerken über (meist kostenpflichtige) Spielfilmkanäle und Halbseidenes bis hin zu Kinderprogrammen und Religionssendern. Das Niveau der meisten Sendungen ist aber eher niedrig, und so etwas Seriöses wie die Tagesschau gibt es gar nicht. Die meisten Leute schauen nur den Bush-treuen Nachrichtenkanal Fox News, aber ich halte mich an BBC und ans Internet, sowie ans National Public Radio (vergleichbar mit Deutschlandfunk). Letztens habe ich etwas im Fernsehen gesehen, was ich niemals für möglich gehalten hätte: Einen religösen Fanatikersender namens Angel One mit so schönen Sendungen wie "Time for miracles" und "Abortion hurts women". Letztere Show kam scheinbar harmlos daher, mit Interviews von Frauen, die nach ihrer Abtreibung Depressionen bekamen, aber schließlich Hilfe bei einer ganz bestimmten Person fanden: Jesus Christus. Gruselig. Auf dem gleichen Kanal laufen auch schon mal Predigten von Fernsehpriestern, die gegen Homosexuelle, Drogensüchtige und Kriminelle wettern - solche Inhalte fallen hier unter Meinungsfreiheit. Das andere Extrem im Fernsehen sind unzählige pseudo-dokumentarische Sendungen über plastische Chirurgen, die nicht nur Brüste und Fetthüften verschönern, sondern auch Körperteile unter der Gürtellinie, bei denen man niemals gedacht hätte, das man sie verschönern kann. Oh Mann!

Interessant ist auch, dass alle Formate und Serien, die wir auch in Deutschland kennen (wie z.B. Deutschland sucht den Superstar) und die teilweise hier erfunden wurden, hier auch im Fernsehen laufen. Meine Kollegen waren sehr überrascht, dass ich die meisten Serien kenne. Mal schauen, welcher hier in den USA gerade neue Fernsehtrend nächstes Jahr zu uns nach Deutschland schwappt. Ich habe da ja so meine Verdächtigen.

Ansonsten habe ich mich hier sehr gut eingelebt, verfolge eifrig meine Experimente und genieße meine freie Zeit mit ein paar Bekannten, die ich hier kennengelernt habe. So war ich letztes Wochenende mit Julia, einer Deutschen, und Sarah, einer Amerikanerin, die ich beide bei der letzten Filmnacht kennengelernt habe, in einem kleinen Cafe um die Ecke frühstücken. Die Leute hier stehen unheimlich auf Haferflocken und machen auch ganz leckere Müslis daraus: mit Früchten und warmem (!) Joghurt (klingt komisch, ist aber unheimlich lecker). Donnerstag war ich wieder bei der Filmnacht (diesmal Indiana Jones 2 und Freitag abend mit Julia und ein paar ihrer Freunde in einem urigen Pub, mit Riesenburgern und Riesen-Bierkrügen. Das Bier hier schmeckt aber nicht und ist vor allem total dünn. Heute habe ich den Sonntag genutzt, um noch mal bei wunderschönem Herbstwetter auf den East Rock zu wandern. Dort habe ich auf einer Bank in einem Roman gelesen, den Blick auf New Haven genossen und ein wenig in der Sonne gedöst. Und plötzlich, klingeling, kommt ein Eisverkäufer in einem total bunten Auto um die Ecke, und alle Kinder (inkl. der schon erwachsenen wie mir) stürzten auf den Wagen zu und kauften Eis. Das Eis hier ist übrigens sagenhaft und hat etwa 1000 Kalorien pro Portion, aber ist unglaublich lecker.

Donnerstag, Oktober 05, 2006

23.09.2006 - Boston: Ein bißchen Europa in Amerika

Nach viel Arbeit am letzten Wochenende komme ich nun endlich dazu, meinen Bericht aus Boston online zu stellen.

Mein Zugticket für Amtrak hatte ich drei Tage vorher online gekauft und bereits am Bahnhof abgeholt. Früh um acht holte mich dann der wie immer praktische Yale-Shuttle von zu Hause ab und brachte mich zum Bahnhof. Die Züge hier sehen genauso aus wie im Fernsehen, sind komplett aus Metall (Aluminium) und fahren eher langsam. Im Gegensatz zu Deutschland sind die Schaffner super-freundlich und sagen jedem Passagier, wann er aussteigen muss.

Gegen 11 Uhr vormittags kam ich in Boston an und traf dort meinen Kommilitonen Michael, der bis Ende September ein Praktikum in Harvard absolviert. Zum Glück hörte es auf zu regnen, als ich in Boston ankam, allerdings hingen den ganzen Tag dicke graue Wolken über der Stadt und es war sehr schwül.

Vom Bahnhof Back Bay liefen wir in Richtung Prudential Center hin zum Christian Science Center. Die Architektur Bostons ist sehr interessant und unheimlich europäiisch: säulenumstandene Rundbauten aus Sandstein (ähnlich dem Kapitol in Washington oder wie viele Gebäude in Großbritannien) und kleine, an britische Pubs erinnernde Häuser wechseln sich ab mit modernen Wolkenkratzern. Im Gegensatz zu New York gibt es in Boston aber keine düsteren Straßenschluchten, sondern die Hochhäuser wirken für sich allein und bilden einen reizvollen Kontrast zu den historischen Gebäuden. Zudem kann man Boston sehr gut zu Fuß erkunden und ist nicht unbedingt auf die U-Bahn angewiesen.





Beim Christian Science Center befindet sich die Mary Eddy Baker Library, gestiftet von einer reichen christlichen Adligen um 1900. Dort befindet sich das weltberühmte Maparium, eine begehbare Weltkugel aus farbigen gebogenen Glasplatten, die hinterleuchtet sind. Diese Sehenswürdigkeit wurde 1920 fertiggestellt und zeigt die Welt mit den damals existierenden Staaten. Natürlich ist die Besichtigung medial aufgemotzt mit dramatischer Musik und einem emotionalen Sprecher, der darauf hinweist, dass es heute einige der Länder nicht mehr gibt (ach, echt?), z.B. das “totalitäre Regime” der Sowjetunion und die afrikanischen Kolonien. Natürlich sind hier alle sehr stolz, in solch einem freien Land wie den USA leben zu dürfen. Nach so viel rührseligem Patriotismus brauchten wir nationalstolzfreie Deutsche erst mal einen Kaffee ;-)

Weiter ging es in Richtung des Boston Commons, dem größten Park der Stadt. Durch Boston zieht sich ein Band mehrerer Grünanlagen, entworfen vom gleichen Architekten, der auch den New Yorker Central Park gestaltet hat, und in manchen findet man Teiche, auf denen man in Schwanenbooten herumfahren kann.


Vom Boston Commons liefen wir entlang des Freedom Trails (einem Rundweg zu den wichtigsten Orten der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung) in Richtung Boston Harbor. Boston, eine der größten Hafenstädte der USA, besteht genau genommen aus mehreren Inseln und Halbinseln, die alle durch Fährlinien miteinander verbunden sind. Einige der Inseln sind reine Erholungsgebiete, andere eher Vororte von Boston. Zusätzlich umfließt der Charles River die Westseite der Innenstadt Bostons. An einem der Piers machten wir Rast und ließen die Seele beim Blick aufs Wasser baumeln.




Vom Hafen liefen wir auf die andere Seite der Innenstadt durch das malerische Viertel Beacon Hill (mit süßen Backsteinhäusern) zum Charles River und lauschten einem Jazz-Konzert am Wasser (es fand gerade ein Festival statt) – und wieder wünscht man sich, man könnte um 17:00 abends im Biergarten ein Bier oder Alsterwasser bestellen und die Musik genießen, doch wir sind ja in Amerika, und das Alkoholausschankgesetz Bostons ist wohl das strengste in den USA. Hier dürfen Restaurants nur dann draußen auf der Terrasse oder Straße Alkohol ausschenken, wenn der Außenbereich umzäunt ist und ein extra Kellner die Ausweise kontrolliert. So viel zum “Land of the Free”… (Anscheinend müssen die Bürger hier ständig vor sich selbst geschützt werden.)

Vom Jazz am Wasser machten Michael und ich uns schließlich auf zur Longfellow Bridge, von der aus man einen tollen Blick auf Bostons Skyline hat.



Von dort aus fuhren wir ein paar Stationen mit der U-Bahn bis zum Harvard Square, dem Campus der Harvard University. Der Campus ist dem von Yale recht ähnlich, nur rote Backsteingebäude statt gothischem Schnörkel. Harvard verfügt angeblich über die größte Universitätsbibliothek der Welt, die allerdings von außen nicht sehr groß aussieht. Die Stifterin, deren einst in Harvard studierender Sohn beim Untergang der Titanic ums Leben gekommen ist, hatte nämlich für die Errichtung der Bibliothek die Bedingung gestellt, dass das Gebäude inkl. Studierzimmer des Sohnemanns niemals verändert werden darf, d.h. keine Anbauten, Aufstockungen oder ähnliches. Der Clou ist, dass man die Bibliothek trotzdem erweitert hat, nämlich unterirdisch in mehreren Stockwerken.

Am Harvard Square gingen wir dann noch zu Abend essen und gönnten uns riesige Burger und Salate in einer quirligen Bar. Von dort aus spazierten wir dann wieder Richtung Bahnhof und machten noch einen abendlichen Abstecher an der Longfellow Bridge, um die Skyline noch einmal bei Nacht zu bestaunen.

Gegen 22:00 Uhr fuhr dann mein Zug in Richtung New Haven, und ich wurde gegen 1:00 Uhr sicher nach Hause gebracht von einem der kleineren Shuttle-Jeeps mit einem richtigen amerikanischen Sheriff: “Ma’m, I’m here to take you home safely. I will not leave ‘til you’re in the house!” Und wirklich, die Jeeps haben große Scheinwerfer auf dem Dach, mit denen sie den Eingang des Hauses ausleuchten, bis man sicher drinnen ist. Nach einem so ereignisreichen Tag fiel ich dann nur noch todmüde ins Bett.