Freitag, November 17, 2006

Endspurt...

Jetzt, wo sich mein Praktikum hier langsam aber sicher dem Ende zuneigt, wird mir bewusst, wie schnell die Zeit hier vergangen ist und wieviel ich gelernt habe. Die Wissenschaftler hier denken einfach dreimal so schnell und unglaublich kreativ - am Anfang hat mich das überwältigt, und auch jetzt ist es immer noch beeindruckend.

Im Moment habe ich im Labor noch sehr viel zu tun und versuche, meine Experimente zu Ende zu bringen, um vielleicht doch noch ein paar Daten für die anstehende Posterpräsentation in Lübeck zu erhalten. Ich weiß zwar noch nicht genau, wie ich bis Ende nächster Woche ein Poster fertig haben soll, aber das wird schon noch... Wahrscheinlich würde es mir genauso gehen, wenn ich noch drei Monate hier wäre - man hat schließlich nie zu Ende geforscht.

Einerseits freue ich mich jetzt schon sehr auf Lübeck, weil mir natürlich Tiark, meine Freunde und Bekannten und natürlich meine Familie ungeheuer fehlen. Andererseits habe ich hier vor allem in den letzten sechs Wochen mit vielen netten Leuten Dinge unternommen, und jetzt, wo ich sie gerade erst richtig kennenlerne, muss ich schon wieder weg. Über viele kleine nette Alltagserlebnisse hier im Lab, beim Sport oder mit Bekannten hier habe ich gar nicht geschrieben, aber ihr könnt mir glauben, so ganz leicht fällt mir der Abschied nicht. Ob Filmabend, Kino oder einfach nur ein Cocktail in einer der Bars, ich habe hier viele interessante Leute aus aller Welt kennengelernt.

Dieses Wochenende gibt es den vorgezogenen Abschiedslunch mit dem Laborteam. Nächste Woche ist nämlich Thanksgiving, einer der wichtigsten Feiertage hier in den USA, und alle Studenten und die amerikanischen Wissenschaftler fahren zu ihren Familien, um Truthahn zu essen. Die Hälfte unseres Labors ist daher nächste Woche gar nicht mehr in New Haven. Aus dem gleichen Grund werde ich mich wohl auch an diesem Wochenende von meinen Freunden hier verabschieden.

Ich möchte auch unbedingt noch einmal zum Taekwondo, was ich leider in der letzten Woche aufgrund einer Erkältung und der Tatsache, dass ich nie vor 21:00 aus dem Labor gekommen bin, leider nicht geschafft habe.

Also, drückt mir gemeinschaftlich die Daumen, dass ich meinen Koffer rechtzeitig gepackt kriege, mein Poster mit tollen Ergebnissen nach Lübeck maile, und dann am 25.11. den Flieger nicht verpasse!

Montag, November 06, 2006

Mit dem Fahrrad durch New York

Am Freitag bin ich nach der Arbeit zu Felix nach New York gefahren, um das Wochenende in der "City" zu verbringen. (Hier redet jeder von New York nur als "The City"). Am gleichen Abend gingen wir erst in einer Pizzeria etwas essen und dann auf eine Party von ein paar Mathestudenten aus Felix' Department. Überraschenderweise kann man auch mit verrückten Mathestudenten Spaß haben ;-)


Am Samstag war das Wetter zwar kühl, aber sonnig, und so entschlossen wir uns, eine Fahrradtour um Manhattan zu machen. Felix besitzt noch ein zweites Fahrrad, und nachdem wir beide Fahrräder beim nachbarschaftlich betriebenen Fahrradladen flott machen ließen, konnte es los gehen. Von der 6th Street aus gelangten wir nach Osten an den East River (der laut Felix gar kein Fluss, sondern ein Meeresarm ist) und fuhren am Wasser Richtung Norden.


Auf dem Weg passierten wir den Wohnkomplex Stuyvesant Town, der in letzter Zeit dadurch zu Berühmtheit gelangt ist, dass er von Immobilienspekulanten aufgekauft wurde und die bisherigen Mieter, v.a. Familien, Rentner und Studenten, aus den relativ preisgünstigen Wohnungen vertrieben werden sollen. An der New York University und der Rockefeller University vorbei ging es schließlich zu den UN Headquarters.




Dort finden halbstündlich Führungen statt, und nach einem Sicherheitscheck trafen wir auf unseren (natürlich deutschen, die sind schließlich überall!) UN-Führer. Die Führung fand allerdings auf englisch statt. Interessant war, dass kein einziger Amerikaner unter den 20 Teilnehmern war, sondern nur Inder, Schweden, Brasilianer und Deutsche - na ja, dass die Amis Weltpolitik häufig nicht weiter als über ihre eigene Nasenspitze hinaus betreiben, ist ja hinreichend bekannt. Neben den Konferenzsälen, die man teilweise aus dem Fernsehen kennt, wenn Kofi Annan eine Rede hält, gab es verschiedene Geschenke der Mitgliedsländer zu bestaunen: Von Wandgemälden über kunstvolle Schnitzereien bis hin zu Schiffsmodellen. Natürlich erfuhr man auf der Tour auch sehr viel über Sinn, Zweck und Arbeitsweise der UN und die Weltprobleme, mit denen sich die einzelnen Abteilungen beschäftigen: Von AIDS bis Kinderarbeit über Wahlbeobachtung, Friedenssicherung, Armutsbekämpfung und Bereitstellung von sauberem Trinkwasser bis hin zur nuklearen und sonstigen Abrüstung scheinen die Mitarbeiter der UNO sich wirklich um alles zu kümmern, was die Menschheit quält. Umso erschreckender war dann am Ausgang eine Grafik, die die weltweiten jährlichen Ausgaben für Waffen (780 Milliarden US-Dollar) ins Verhältnis zu denen für Gesundheitsmaßnahmen (21 Milliarden) und Demokratieaufbau (2 Milliarden) setzte. Man muss sich nur einmal vergegenwärtigen, dass das jährliche Budget der UN ein Drittel des Budgets des New York Police Departments beträgt - die UN erscheint einem dann ein bisschen wie Don Quijote oder Sissyphos beim Kampf gegen globale Probleme. Der Besuch bei der UN hat mich nachhaltig beeindruckt und in meiner radikal pazifistischen Grundhaltung bestätigt.




Aber zurück zu unserer Fahrradtour: Nachdem wir die Franklin D. Roosevelt Island im East River hinter uns gelassen hatten, wandten wir uns an der 96th Street nach Westen und fuhren zum Central Park. Bei wunderschöner Spätnachmittagssonne ging es am großen Reservoir vorbei Richtung Süden.



Nachdem wir in einem riesigen Supermarkt am Columbus Circle noch für das Frühstück am nächsten Tag gesorgt hatten, fuhren wir nach Westen und landeten schließlich am Ufer des Hudson Rivers. Von dort aus fuhren wir nach Süden, passierten den Flugzeugträger des Intrepid Sea-Air-Space Museums (nach dem Besuch der Un schenkten wir uns allerdings den Besuch militärischer Prestigeobjekte) und den Lincoln und Holland Tunnel. Auf dem Weg ging die Sonne hinter der gegenüberliegenden Skyline von Jersey City unter.



Hinter der ehemaligen World Trade Center Site erreichten wir dann irgendwann die Südspitze Manhattans mit der Fährstation der Staten Island Ferry. Von dort ging es dann wieder nordwärts bis zur Brooklyn Bridge. Und ihr werdet es nicht glauben, trotz meiner Höhenangst (durch die Planken des Fußwegs kann man das Wasser 50 Meter tiefer sehen) bin ich mit Felix mit dem Fahrrad über die Brücke nach Brooklyn geheizt - und weil es so schön war, auf der nahegelegenen Manhattan Bridge gleich wieder zurück nach Manhattan.

Jetzt hatten wir uns aber wirklich eine Stärkung verdient und fuhren direkt nach Chinatown. Beim Ajisen Ramen genossen wir die Nudelsuppen und Teigtaschen und fuhren nach einem Bummel durch die Kitschläden zurück zu Felix' Appartment. Nach einer kurzen Verschnaufpause gingen wir zum Abschluss des Tages noch in einer mexikanischen Bar einen Cocktail trinken.

Am Sonntag frühstückten wir spät und besuchten eine von Felix' Bekannten, um American Football zu schauen und traditionell Chicken Wings und mit Käse überbackene Pommes zu essen. Football ist anscheinend doch etwas komplizierter als große Männer, die versuchen, dem Gegner den eiförmigen Ball abzunehmen, indem sie gegeneinander laufen und übereinander fallen. Jedenfalls gibt es eine Menge Regeln über inkomplette Touchdowns, und wie weit die Mannschaft sich bei jedem Spielzug nach vorne bewegen muss, usw. Wahrscheinlich sind die Regeln für einen Deutschen genauso schwer zu verstehen wie die Abseitsfalle beim Fußball für einen Amerikaner.

Am Nachmittag trafen wir uns spontan noch zum Kaffeetrinken mit Sarah aus dem juFORUM, die zur Zeit ihr Praktisches Jahr in Providence auf Rhode Island (zwischen New Haven und Boston) absolviert und übers Wochenende bei ihrem Freund Markus in New York zu Besuch war. Und wie das Leben so spielt, kannten sich Felix und Markus von einem Studienstiftlertreffen in New York, das drei Tage vorher stattfand. Womit endgültig bewiesen wäre, dass die Welt ein Dorf ist, wo jeder jeden kennt, und die Deutschen sind sowieso immer überall.


Donnerstag, November 02, 2006

31.10.2006 - Halloween

Heute war Halloween, und Joseph und Janey, eine Bachelorstudentin, die als HiWi in unserem Labor arbeitet, wollten mich zu einem mitternächtlichen Konzert des Yale Orchesters mitnehmen. An Halloween wird nämlich in der Konzerthalle ein von Studenten gedrehter Stummfilm gezeigt, und das Orchester begleitet die Aufführung mit Rock- und Popsongs. Das Ganze ist DAS Ereignis für die Collegestudenten, und alle verkleiden sich. Die Konzerthalle Woolsey Hall ist sehr sehenswert, wie immer hier in Yale perfekt einem europäischen Konzerthaus nachempfunden und hat eine tolle Akustik.

Es waren unglaublich viele Leute bei dem Konzert, und alle hatten kreative Kostüme: Von Elefanten, Quallen und Weintrauben bis hin zu traditionellen Piraten, Prinzessinen, Hexen, heiße Krankenschwestern und Zombies. Ich hatte in letzter Sekunde noch Bonbons und Zuckerstangen auf ein Kleid genäht und ging als "Candy Girl".

Der Film war eine Parodie auf "Ghost Busters", die Schauspieler waren alles Yale-Studenten, einige Professoren, und die Schauplätze waren Hörsäle, die Bibliothek und Wohnheime auf dem Campus. Dementsprechend enthusiastisch wurde der Film von den Zuschauern aufgenommen, und die Stimmung im Saal war super. Teil der Aufführung war auch eine Tanzgruppe, die den Zombietanz aus Michael Jacksons "Thriller"-Video zur Orchestermusik vorführte - total beeindruckend. Zwar habe ich von den Sketchen, die zwischendurch auf der Bühne dargeboten wurden, nicht allzu viel verstanden (Amerikaner, die schnell in ein Mikrofon sprechen, sind einfach too much), aber Janey und Joseph haben auch als Muttersprachler nur die Häfte verstanden.

Halloween, so wie es hier gefeiert wird, ist viel weniger eine reine Marketing-Idee, um mehr Süßigkeiten zu verkaufen, sondern die Leute geben sich wirklich Mühe mit den Kostümen und haben eine Menge Spaß. Gleichzeitig merkt man aber auch, dass es eine Gelegenheit für viele ist, aus den steifen, ungeschriebenen Regeln, die z.B. für Männer-Frauen-Beziehungen gelten, auszubrechen. Es gibt z.B. unterschiedliche, klar definierte Beziehungsstadien, von "exclusive", wo man eine/n feste/n Freund/in hat, bis hin zu "non-exclusive", wo man sich auch mit anderen Dates trifft. Nach etwa zwei Jahren Beziehung kommt hier wohl meist der Zeitpunkt, wenn man entscheidet, ob man sich verlobt oder getrennte Wege geht. Wenn ich erzähle, dass ich seit 5 Jahren mit Tiark zusammen bin und wir davon 3 Jahre zusammen wohnen, stößt das hier oft auf Erstaunen a la: "When are you gonna get married?" Die europäische Lockerheit in diesem Zusammenhang wird hier sehr wohl wahrgenommen. Jedenfalls, die teils sehr freizügigen Kostüme vor allem der Frauen sind sicher Ausdruck des Ausbrechens aus dem Alltag.

30.10.2006 - Eine Wanderung mit dem Labor

Nach einem stürmischen Wochenende zeigte sich am Montag das Wetter von seiner allerschönsten herbstlichen Seite, und unser Labor entschloss sich spontan, aus der Alltagsroutine auszubrechen und in der Umgebung eine Wanderung zu machen. Mit Walther fuhren Pradeep, Joseph und ich nach Nordwesten Richtung Wallingford und Meriden.

Unser erster Anlaufpunkt waren die Twin Peaks, zwei etwa 300 m hohe, nebeneinanderliegende Berge. Auf dem East Peak gibt es einen Schlossturm (Castle Craig). Von dort aus und auch vom West Peak hatte man einen wunderschönen Ausblick auf Connecticut, bis hin nach Long Island.




Sowohl von den Berggipfeln aus als auch auf der Autofahrt war die typische Landschaft zu bewundern: Waldhänge mit herbstlich bunten Bäumen, kleine Flüsschen, Wasserreservoirs (angelegt von den ersten Siedlern) und plötzlich auftauchende schroffe Felswände.


Nach der ersten Etappe fuhren wir noch weiter nach Norden zum Ragged Mountain. Beim Aufstieg wanderten wir durch den Wald, kletterten über Felsen, und wurden nach etwa einer Stunde anstrengendem Gekraxel mit einer phänomenalen Aussicht über Täler, Seen und Wald belohnt. Die Farben waren einfach unglaublich, besonders als die Sonne langsam unterging.







Am frühen Abend kehrten wir zurück ins Institut, beendeten unsere Experimente, und zumindest ich fiel nach soviel frischer Luft wie ein Stein ins Bett.