Montag, Oktober 09, 2006

Ein paar Alltagsimpressionen

Da ich ja nicht immer nur in der Weltgeschichte herumreise, sondern mich die meiste Zeit in New Haven aufhalte, will ich doch mal ein paar Eindrücke aus dem amerikanischen Alltag mit euch fleißigen Lesern teilen.

Da wäre zunächst mal das Fernsehen: Nicht nur gibt es hier diverse Kabelfernseh-Anbieter, sondern auch die unterschiedlichsten Programme. Von Kochkanälen über Heimwerken über (meist kostenpflichtige) Spielfilmkanäle und Halbseidenes bis hin zu Kinderprogrammen und Religionssendern. Das Niveau der meisten Sendungen ist aber eher niedrig, und so etwas Seriöses wie die Tagesschau gibt es gar nicht. Die meisten Leute schauen nur den Bush-treuen Nachrichtenkanal Fox News, aber ich halte mich an BBC und ans Internet, sowie ans National Public Radio (vergleichbar mit Deutschlandfunk). Letztens habe ich etwas im Fernsehen gesehen, was ich niemals für möglich gehalten hätte: Einen religösen Fanatikersender namens Angel One mit so schönen Sendungen wie "Time for miracles" und "Abortion hurts women". Letztere Show kam scheinbar harmlos daher, mit Interviews von Frauen, die nach ihrer Abtreibung Depressionen bekamen, aber schließlich Hilfe bei einer ganz bestimmten Person fanden: Jesus Christus. Gruselig. Auf dem gleichen Kanal laufen auch schon mal Predigten von Fernsehpriestern, die gegen Homosexuelle, Drogensüchtige und Kriminelle wettern - solche Inhalte fallen hier unter Meinungsfreiheit. Das andere Extrem im Fernsehen sind unzählige pseudo-dokumentarische Sendungen über plastische Chirurgen, die nicht nur Brüste und Fetthüften verschönern, sondern auch Körperteile unter der Gürtellinie, bei denen man niemals gedacht hätte, das man sie verschönern kann. Oh Mann!

Interessant ist auch, dass alle Formate und Serien, die wir auch in Deutschland kennen (wie z.B. Deutschland sucht den Superstar) und die teilweise hier erfunden wurden, hier auch im Fernsehen laufen. Meine Kollegen waren sehr überrascht, dass ich die meisten Serien kenne. Mal schauen, welcher hier in den USA gerade neue Fernsehtrend nächstes Jahr zu uns nach Deutschland schwappt. Ich habe da ja so meine Verdächtigen.

Ansonsten habe ich mich hier sehr gut eingelebt, verfolge eifrig meine Experimente und genieße meine freie Zeit mit ein paar Bekannten, die ich hier kennengelernt habe. So war ich letztes Wochenende mit Julia, einer Deutschen, und Sarah, einer Amerikanerin, die ich beide bei der letzten Filmnacht kennengelernt habe, in einem kleinen Cafe um die Ecke frühstücken. Die Leute hier stehen unheimlich auf Haferflocken und machen auch ganz leckere Müslis daraus: mit Früchten und warmem (!) Joghurt (klingt komisch, ist aber unheimlich lecker). Donnerstag war ich wieder bei der Filmnacht (diesmal Indiana Jones 2 und Freitag abend mit Julia und ein paar ihrer Freunde in einem urigen Pub, mit Riesenburgern und Riesen-Bierkrügen. Das Bier hier schmeckt aber nicht und ist vor allem total dünn. Heute habe ich den Sonntag genutzt, um noch mal bei wunderschönem Herbstwetter auf den East Rock zu wandern. Dort habe ich auf einer Bank in einem Roman gelesen, den Blick auf New Haven genossen und ein wenig in der Sonne gedöst. Und plötzlich, klingeling, kommt ein Eisverkäufer in einem total bunten Auto um die Ecke, und alle Kinder (inkl. der schon erwachsenen wie mir) stürzten auf den Wagen zu und kauften Eis. Das Eis hier ist übrigens sagenhaft und hat etwa 1000 Kalorien pro Portion, aber ist unglaublich lecker.